Sonntag, 31. August 2014

Reise nach Kappadokien - 15: Das Studium der Teppichwissenschaft

Es war jeden Sommer das gleiche Drama: Irgendwann fing der Teppich an zu leben. Wer mit nackten Füßen und bloßen Beinen auf den Teppich kam, hatte schnell schwarze Punkte an den Beinen. Die Flöhe, die von den Katzen ins Haus getragen worden waren, wollten Blut. Nur die Katzen waren fern und trieben sich lieber draußen herum. Also nahmen die Flöhe, was sie kriegen konnten.
Das ist ein Grund, warum ich so froh darüber bin, dass in der jetzigen Wohnung Parkett liegt.

So wird die Knotendichte vom Teppich berechnet
Cankut Yilmaz, Besitzer der Teppichfabrik, hält einen Seidenkokon in der Hand und lässt diesen an seinem Faden ein Stückchen herunter. Der Faden ist nicht zu sehen. Würde dieser anderthalb Kilometern lang sein, wäre er gerade ein einziges Gramm schwer. Von solchen Fädchen passen immerhin 400 Knoten auf einen Quadratzentimeter Seidenteppich. Das ist ein Zentimeter mal ein Zentimeter.
(Ich würde für die 400 Knoten eine Ewigkeit brauchen, wenn ich das knüpfen müsste)


Wir sollen uns das Nomadenleben vorstellen.
Die Knüpferinnen sitzen gebeugt über ihren Teppichen und die Kettfäden sirren leise, wenn die Frauen jeweils einen hinteren und einen vorderen mit dem bunten Faden verknüpfen, diesen dann mit dem Messer in der rechten Hand abschneiden. Mit einer großen Schere wird ab und an der Flor so weit gekürzt, dass nur drei Millimeter übrig bleiben. 

"Meine Künstlerinnen", nennt Yilmaz sie, "mein Rembrandt und mein Van Gogh" und zählt auf, was sie von ihm bekommen, wenn sie einen Teppich fertig stellen. Inzwischen sei das Knüpfen von Teppichen in der Türkei ein Ausbildungsberuf, erzählt er. Wenn gerade hier, im Hinterland, dort, wo sonst nichts ist, die Frauen eine Ausbildung bekämen, dann heirateten sie nicht ganz so jung und bekämen auch erst später ihre Kinder. Bildung habe hier mehr Wert, als Reichtum: Wo sich die Wirtschaft entwickeln könne und die Menschen Berufe erlernen, mit denen sie ihr Geld verdienen können, dort gäbe es keinen Terrorismus, vermutet Yilmaz. 

Er holt ein altes Buch aus einem Koffer, zieht sich vorher weiße Handschuhe an: "Der Koran der Teppichkunde!", blättert in dem Buch, das vor fast 100 Jahren gedruckt wurde und schwärmt vom Kaiser Wilhelm II. Der ist zwar schon eine Weile tot, bekam aber von seinem Kumpel Mehmet II. alte Teppiche, die sich seitdem im Bodemuseum in Berlin befinden. 

Ein Korb mit Wolle. Vom Schaf.
Sechs junge Männer kommen, stellen sich in einer Reihe auf und werden von Yilmaz vorgestellt, ihre Frauen, Mütter und Schwestern seien alles Knüpferinnen, die zum Einkommen in der Familie beitragen. Er will Dinge richtig stellen, die von den Medien falsch berichtet würden, sagt er und erklärt weiter, dass das, was uns aufdringlich erscheine, wenn wir in türkischen Läden einkaufen wollten, einfach nur ein kultureller Unterschied sei: Sie - die Türken - seien nicht aufdringlich, sie seien nur fleißig und wollten bedienen. 

Mir jedoch ist das blanke Parkett lieber, als so ein Flohbunker, ob echt von Hand oder mit der Maschine geknüpft. Deswegen schaue ich mich zwar ein wenig um, bewundere die Teppiche, die überall an den Wänden hängen und setze mich auf einen Tee und warte, dass der Reisebus uns wieder abholt. 




Sonntag, 3. August 2014

Reise nach Kappadokien: Eine kulinarische Reminiszenz

In einem guten Urlaub spielt gutes Essen eine wesentliche Rolle: Endlich brauche ich nicht selbst zu kochen und kann aus einer riesigen Menge an gebotenen Leckerbissen am Büffet wählen. So reichhaltig ist der Kühl- und Vorratsschrank zu Hause nicht bestückt, schon allein, weil wir selbst zu dritt nicht so viel futtern könnten, auf dass nichts weggeworfen werden muss. 
Die Qualität der Büffets in den einzelnen Hotels war auf dieser Reise durchaus unterschiedlich. In dem ersten Hotel, welches in einer Anlage in Alanya war, war es ziemlich reichhaltig und ganz gut, aber eher noch naja. Das zweite Hotelbüffet, in Kappadokien, war zwar nicht ganz so reichhaltig, dafür aber superlecker und das dritte in Antalya war so miserabel, dass selbst der angebotene Pudding schon mit dicken Falten auf der Haut zeigte, dass ihn keiner wollte. 
Zu Hause angekommen, ist es immer wieder nett, Gerichte nachzukochen, die ich in der Erinnerung habe. Es gibt zwar Kochbücher und Rezeptsammlungen im Internet, die nehme ich immer gerne als Anregung, um die darin enthaltenen Gerichte so abzuwandeln, dass es wieder so schmeckt, wie in meiner Erinnerung. 
Seit im Gewächshaus die Gurken himmelhoch wachsen und so viele Früchte liefern, dass wir uns damit auf den Markt stellen könnten, ist Abwechslung beim Gurkensalat Pflicht. Einen Gurkensalat in Joghurtsauce gab es in einem Hotel. Also nehme ich:

Gurkensalat in Jogurtsauce

- zwei Gurken
- 1/2 Liter Jogurt
- 1 Eßlöffel Olivenöl
- Knoblauchzehen: Hier kann jeder selbst ausprobieren, wie scharf er es mag. 
- Dill und Minze







Weil die Gurken ungespritzt sind, schneide ich nur ganz dünn die Schale dort weg, wo sie etwas dicker und knubbeliger ist, teile sie längs in vier Viertel und würfele sie. Unsere Gurken sind ziemlich fest, und enthalten relativ wenig Wasser, deswegen spare ich mir einen Arbeitsgang. Wer jedoch gekaufte Gurken nimmt, sollte die Stücken salzen und ein wenig abtropfen lassen. Sonst wird der Salat ziemlich wässerig. Knoblauchzehen schälen und zerdrücken, Gurkenstücke und Jogurt und die Gewürze mischen, fertig. Hinterher hab ich noch groben gemahlenen Pfeffer über die einzelnen Portionen gestreut, das wars. 

Dazu gab es gekauftes Fladenbrot und 

Türkische Frikadellen

- 300 g Weizengrieß
- 1 Zwiebel
- 3 Knoblauchzehen
- Gemüsebrühe
- Paprikamark
- Paprikapulver
- 500 g Rinderhackfleisch
- glatte Petersilie





Den Weizengrieß in Gemüsebrühe kochen, so dass er mittelmäßig fest wird, wie Brei (nicht ganz so fest, dass sich die Nocken für Suppe ausstechen lassen). Grieß, Zwiebeln, Knoblauch, Paprikamark und Paprikapulver miteinander in einer Schüssel vermengen, das Hackfleisch dazu und alles zu einem Teig kneten. (Bisher kannte ich Rinderhackfleisch nur als eine krümelige Masse, die sich nur widerwillig formen ließ und gerne immer auseinanderbröselte. Mit dem Grieß dazwischen hielt alles besser zusammen, als mit der Ei-und-Semmelbröselvariante). Petersilie hacken und untermengen, den Teig zu Fleischbällchen formen und braten. 

Alles hat sehr gut geschmeckt - und am liebsten würde ich gleich wieder los. 


Sonntag, 20. Juli 2014

Reise nach Kappadokien - 13: Bleib auf dem Teppich

Hier ist nichts. Nur kappadokische Steppe.
Als alle Teppiche ausgerollt auf dem Boden lagen, war eine ganze Stunde Zeit im türkischen Niemandsland, bis der Bus endlich weiter fahren würde. Es gab keine Gelegenheit, mal eben zu entfliehen. »Wo kommen Sie her?«, fragten die Teppichverkäufer, die in Stuttgart, Mannheim oder Salzgitter aufgewachsen waren und deswegen fast akzentfrei deutsch sprachen. Von diesen wuselten plötzlich so viele in dem großen Raum, dass wirklich keiner aus der Gruppe unbeachtet blieb. 


Ein Schwabe zeigte auf einen kleinen Teppich, in dem das Bild von einem Zebra eingewebt war: »Wozu brauch` mer das?« 
»Für die Töpf«, entgegnete seine Frau und lacht dabei. 
Der niedrige Reisepreis für Kappadokien funktioniert nur, weil derartige Verkaufsveranstaltungen Teil der Reise sind. Wie bei einer Butterfahrt sitzen alle Reiseteilnehmer irgendwo im Nirgendwo und können nicht ausreißen. Die Verkäufer sprechen perfekt Deutsch. Klar, sie wuchsen ja in Deutschland auf. Aber wenn ich mir hier die Pampa so angucke, dann scheint mir selbst ein soziales Brennpunktviertel in Salzgitter wesentlich attraktiver zu sein, als diese anatolische Steppe. 

Die Teppichfabrik. Vielmehr: Hier ist der Verkauf.
Erwischt. Das ist eines meiner gepflegten Vorurteile. Was weiß ich denn, was diese jungen Türken als ihr Glück bezeichnen? Fragen geht nicht, ich will schließlich keinen Teppich kaufen. Selbst wenn ich fragen würde, könnte ich ihnen denn glauben? Oder würde ich nicht eher sagen: Die dürfen jetzt nicht anders antworten, aber wenn sie ganz alleine und ehrlich mit mir reden könnten, dann können sie doch gar nicht anders, als meine Vorurteile zu bestätigen.
Pustekuchen. Es sind meine Vorurteile, und nichts weiß ich. Ich weiß einfach gar nicht, wie es wäre, hier zu leben, wenn ich vorher meinetwegen in einem Mannheimer Hochhaus gewohnt hätte, in eine Schule gegangen wäre, und gewusst hätte, dass mich eigentlich niemand braucht, dass ich als Ausländer nicht willkommen, sondern eher lästig bin. Dass ich Förderstunden bräuchte, um Dinge zu lernen, die mit meiner Lebenswelt überhaupt nichts zu tun haben, in denen moralische Werte gelten, die einfach anders sind. 

Nein, ich kann weder vergleichen, noch beurteilen.
Alles andere wäre einfach nur westlich und arrogant. 
In der Wohnung ist schönes Parkett, wimmelte ich einfach alle Verkäufer ab, die mir einen Teppich aufschwätzen wollten. Ich schlenderte ein wenig durch die verwinkelten Gänge, in denen überall Teppiche hingen. 
Eine Frau fragt nach, warum eigentlich Männer keine Teppiche knüpften, sondern nur Frauen. Das hätte weniger mit der Kunstfertigkeit, als mit dem hiesigen Rollenverständnis zu tun, bekommt sie zur Antwort. Ein Mann, der Teppiche knüpft, wird nicht so ernst genommen. 
Dabei will Cankut Yilmaz, dem die Teppichfabrik gehört und der selbst in Mannheim studiert hat, wie er sagt, Vorurteile beseitigen. 
Von der Teppichwissenschaft, die sich studieren lässt, schreibe ich auch noch. Demnächst. 

Sonntag, 25. Mai 2014

Reise nach Kappadokien - Angebot und Nachfrage

Ein Kamel stand am Straßenrand und wartete. 

Es klimperte mit den langen Wimpern, war hübsch bunt aufgezäumt und angebunden. Weil sich die Touristen in der Gruppe nicht blamieren wollten, stieg keiner auf, um darauf eine Runde zu drehen. Der Kamelbesitzer kannte das schon: Die Leute kommen nur zu ihrem Bus, wollen wieder einsteigen, haben keine Zeit - aber sie machen ein Foto von dem schönen Kamel. 

Deswegen passte er sein Geschäft der entsprechenden Nachfrage an:








Da sowieso niemand darauf reiten möchte, darf das Kamel fotogen stehen bleiben. Jetzt kostet es Geld, wenn man es fotografieren will. So einfach, so logisch. 

Sonntag, 18. Mai 2014

9 gute Gründe, warum du nach Kappadokien fahren solltest

1. Die Landschaft ist einfach großartig.
Ich kann mir zwar nicht wirklich vorstellen, wie lange die drei Vulkane  Erciyes Dağı, Hasan Dağı und Melendiz Dağı vor zwanzig Millionen Jahren Lava und Asche spucken mussten, bis alles voll war und die Erosion daraus die tiefen Täler, die Feenkamine und Schluchten schaffen konnte. Aber das Ergebnis ist phänomenal. Selbst im März, oder vielleicht genau deswegen, weil nichts von den felsigen Formationen ablenkt, außer vielleicht der einsame Baum mit Mandelblüten, der am Rand des Abgrundes steht. 

2. Die Menschen
Die Menschen, die wir trafen, waren ausnahmslos sehr nett. Ja, wirklich. Auch die, die uns übers Ohr gehauen haben. Das fand ich zwar bedauerlich und blöd, aber trotzdem verständlich. Schade war es nur, dass es so wenige Begegnungen überhaupt waren. Aber ich kann ja nun wirklich kein Türkisch. Wie hätte ich mich da unterhalten können...

3. Die Begegnung mit der Geschichte
Wir hier in Westeuropa halten uns ja gerne für den Nabel der Welt und der gesamten Zivilisation. Doch während die alten Germanen noch auf Bärenhäuten lagen, ging in Kappadokien die Post ab. Hierher brachten sich die ersten Christen vor den Verfolgungen durch die Römer in Sicherheit, die Karawanen zogen auf der Seidenstraße entlang. Die Karawansereien standen im Abstand von Tagesmärschen und die Bewaffneten in deren Diensten eskortierten die Karawanen, immer bis zur Hälfte des Weges zur nächsten Karawanserei. Dort war Übergabe. 

4. Die Häuser in den Felsen
Wie Bienenwaben sind die Wohnungen in den leichten Tuffstein eingemeißelt. Wenn die Frau zum Mann sagt: "Schatz, ich brauche ein neues Regal", dann greift der Mann zu Hammer und Meißel, statt in den Möbelmarkt zu gehen. Viele der Wohnungen und Kirchen sind uralt, es gibt auch welche, die immer noch bewohnt sind. Aber die meisten Menschen, die bis vor kurzem noch in ihnen lebten, wurden vom türkischen Staat enteignet, damit diese erhalten bleiben, so wie sie sind. Das finde ich wiederum weniger schön. 

5. Die bunte Vielfalt auf den Märkten
Ob getrocknete Früchte oder türkischer Honig: Die Märkte sind - wie überall auf der Welt, wo es Märkte gibt - faszinierend und vielfältig. Schade, dass es diese Form der Märkte bei uns nur so selten gibt. 

6. Teppiche, Goldschmuck und Lederjacken
Gerade die Teppichknüpferei hat in Anatolien eine lange Tradition, die wohl irgendwann einfach ausstirbt, wenn die Türken selbst die Teppiche nicht mehr brauchen oder als "von gestern" verschmähen, und den Touristen die handgeknüpften Teppiche zu teuer sind. Aber noch gibt es einige, die sich hier sowohl Teppiche, als auch Goldringe oder Lederjacken kaufen. 

7. Die Begegnung mit der türkischen Kultur
Ich gebe es zu: Ich bin nicht wirklich ein Gesellschaftstierchen, welches gerne in der Gruppe unterwegs ist. Trotzdem reise ich ganz gerne in einer Gruppe, weil ich auf diese Weise die Geschichten des Reiseleiters hören kann. Dabei erfahre ich mehr, als in jedem Reiseführer steht. Dieser kann zwar mit genaueren Zahlen und viel mehr Fakten glänzen, aber das ist nicht das, was mich interessiert. Oder was ich mir merken kann. Dagegen kann ein Reiseleiter ziemlich viel erzählen. 

8. Die türkische Küche
So, wie bei uns in Deutschland in Kantinen und in Restaurants zwar das Gleiche auf der Karte stehen kann, vom Geschmack her jedoch Welten dazwischen liegen, so ist es auch in Kappadokien. Es gab ein Hotel, da war das Essen spitzenmäßig - und in einem absolut unterirdisch. Der Rest schmeckte irgendwie mittelmäßig. Aber es sah alles ziemlich ähnlich aus. Trotzdem ist das Fazit: Das Essen war gut. Eigentlich viel zu gut, weil die Versuchung groß war, sich durch alle Leckereien zu probieren. 

9. Das eigene Leben wieder mehr zu schätzen
Die Hotels sind der reinste Luxus - und der krasse Gegensatz zu dem, wie die Menschen hier in Kappadokien leben. Dort gibt es kaum etwas - außer dem Tourismus. Die Menschen sind arm, auch wenn sie arbeiten und ihr Leben ist hart. Es ist kein Wunder, dass die Menschen von hier wegziehen, in die Städte, wie beispielsweise Antalya. Und es ist gut, diesen Gegensatz zu sehen und mich hinterher zu freuen, wie gut es mir doch geht. 

Sonntag, 11. Mai 2014

Internezzo--- Auf nach Wolfenbüttel

Zu einem mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wunderbaren Seminar:

"Uns bleibt Paris - oder Wolfenbüttel"

Oder: Wie aus Reisen Literatur wird.

Ich freue mich darauf.

Samstag, 3. Mai 2014

9 Gründe, warum du nicht nach Kappadokien fahren solltest

1. In Kappadokien ist es ziemlich öde.
Gut, es gibt Landschaft. Aber das war es auch schon. Kaum Bäume, kaum Sträucher, nur ebene Pampa und die Täler. Wer sich hier vor sein Haus stellt, kann genau sehen, wer am nächsten Tag zum Kaffee vorbei kommt. Anschleichen und überraschen geht gar nicht. Es staubt immer und überall. 





2. Es liegt viel Müll und Plastik herum.
Es gibt auch Türken, die das nervt, sagte der Reiseleiter. Weil aber auf der Hochebene alles eben ist, fegt der Wind die Plastiktüten vor sich her, so lange, bis sich alles in den zwei Sträuchern gefangen hat, die im Umkreis von zwei Kilometern stehen und die dann aussehen, als würden die Tüten auf ihnen wachsen. Dazu kommt: Es gibt keine Müllabfuhr. Jedenfalls nicht in Kappadokien. Also wird alles im Boden vergraben, was übrig bleibt und nicht mehr gebraucht wird. Die Tiere graben es wieder aus. 

3. Die Türken versuchen, die Touristen übers Ohr zu hauen.
Ja, die Menschen sind arm und haben hier kaum Gelegenheit, auch nur 100 Euro im Monat auszugeben, weil es nichts zu kaufen gibt. Im Vergleich dazu müssen wir ihnen ja wie Krösusse vorkommen: Wir müssen einfach viel zu viel Geld haben, wenn wir in diese öde Pampa reisen und uns Steine angucken und alte Wohnungen, die vor Urzeiten in Felsen gemeißelt wurden. Solche reichen Leute kann man ja einfach betuppen, macht ja nichts, die haben es ja. Oder? Trotzdem komme ich mir veräppelt vor. Und mag beim nächsten Mal garantiert nichts kaufen.

4. Es wird wenig auf die Umwelt geachtet.
Das habe ich mir bei der Aluminiumfabrik gedacht, als in der Luft ein chemischer Duft lag. Und so ist es wohl auch überhaupt, wie der Reiseführer erzählte: Eine Zuckerfabrik wird eben mal so mitten in die staubtrockene Ebene Kappadokiens gebaut, weil sich Beamte überlegen, dass dort rundherum gut Zuckerrüben wachsen könnten. Platz ist ja da. Leider regnet es dafür zu wenig. Und so steht die Fabrik eben nutzlos herum.

5. Die Häuser sehen ziemlich fade aus. 
Irgendwie sehen alle Häuser gleich aus: Wie Würfel. Wenn sie älter sind, dann sind sie kleiner, sind es neuere Häuser, dann sind die Würfel aus Beton und groß genug, dass mehrere Familien darin wohnen können. Verziert ist wenig und schön finde ich anders. Aber die Uniformität der deutschen Vorstädte und Einfamilienhaussiedlungen gefällt mir auch nicht, zugegeben. 




6. Die Mitreisenden.
Einer nervt immer. Mindestens. In diesem Fall war es der Mann vor mir im Bus, der sich ständig so laut räusperte, als würde er das gesamte Mobiliar dabei aus der Lunge und den Nasennebenhöhlen holen. Und irgendwie ist es schon seltsam, wenigstens auf dieser Reise: Es sind verdächtig viele Lehrer anwesend. Können die nicht einmal in ihrem Urlaub alleine unterwegs sein? Brauchen die immer eine Atmosphäre, wie auf einer Klassenfahrt? 

7. Die Verkaufsveranstaltungen.
Teppiche, Goldschmuck und Lederjacken: Wer fährt extra in den Urlaub, um sich Zeug zu kaufen? Gut, ich frage mich eben: Brauche ich das wirklich? Und in diesem Fall war es einfach: Einen Teppich brauche ich nicht, weil in der Wohnung so schönes Parkett liegt, dass es geradezu sträflich wäre, das mit einem Teppich zu bedecken. Der Schmuck, den es dort gab, der gefiel mir nicht, weil er viel zu klunkerig und glitzerig war. Und eine Lederjacke? Brauche ich ganz und gar nicht. Das arme Tier...

8. Die Aufdringlichkeit der Händler. 
Ja, es nervt, wenn ich nur gucken will und nicht gucken kann, weil gleich der Händler auf mich einredet und mir Dinge zeigt, die ich gar nicht sehen wollte. Das sei normal, erklärte der Reiseführer, er würde es dagegen seltsam finden, wenn er einen Laden betritt und seine Ruhe hätte. Dann würde er vermuten, dass ihm der Inhaber nichts verkaufen wolle. 

9. Die Armenier. 
Dazu muss ich nichts erklären, nach meinem Beitrag hier im Blog. 

Demnächst gibt es übrigens hier im Blog die neun guten Gründe, doch nach Kappadokien zu fahren... 
Bis bald!

Samstag, 26. April 2014

Vor 99 Jahren in der Türkei

Es gab so einen kurzen Moment, irgendwann im Bus, in dem Dämmer zwischen Schlafen und Wachen, in dem mein Blick hinaus aus dem Fenster auf das öde Land fiel, welches sich kahl und graubraun bis zum Horizont zog. Ich sah fahle runde Dinge - und war sofort hellwach. Phantasie ist ein grandioser Muntermacher. Glücklicherweise entpuppte sich das, was ich im ersten, noch schläfrigen Moment für menschliche Schädel hielt, später im wachen Licht als Überreste von Kürbissen.

Wieso ich die Reste helle Kürbisse in meiner Phantasie für menschliche Schädel hielt, lag sicherlich auch daran, dass ich vor der Reise in die Türkei ein Buch las, eines, das mich immer wieder fesselt und welches ich schon oft gelesen habe: "Die vierzig Tage des Musa Dagh" von Franz Werfel, ein Buch, das auf einer wahren Begebenheit beruht. Es liest sich unglaublich spannend, berichtet von Grausamkeiten und alltäglichem Heldenmut, und davon, dass durch den Widerstand und die Flucht der Menschen auf den Musa Dagh, den Berg Moses, etwa 4.000 Menschen dadurch gerettet werden, dass sie von einem französischen Kriegsschiff, der Guichen, aufgenommen werden. 

Vor inzwischen 99 Jahren, am 24. April 1915, beschloss die türkische Regierung, welche seit 1908 an der Macht war, die Armenier zu verhaften und zu deportieren, sie begannen, die Menschen aus ihren Häusern zu vertreiben, sie ermordeten Männer und Jungen, sie trieben die Frauen und Kinder auf lange Märsche, auf denen mindestens anderthalb Millionen Menschen starben. Überlebt haben nicht viele davon. Das sollten sie ja auch nicht. Es gibt eine Menge darüber zu lesen, wie hier auf Arte und diesen Dokumentarfilm kann man auch angucken. 

Irgendeiner aus der Reisegruppe stellte dann später, irgendwann, schon ziemlich gegen Schluss der Reise, die unvermeidliche Frage nach den Armeniern und der Schuld der Türken an den Reiseleiter. Er fragte so, wie es Lehrer manchmal so an sich haben, fragte den Reiseleiter auf eine Weise, dass es eigentlich auf diese Frage nur eine mögliche Antwort geben konnte. Doch der Reiseführer beantwortete diese Frage nach den Armeniern und dem Völkermord außerordentlich diplomatisch, wie er überhaupt immer diplomatisch war, wenn es um heikle Fragen ging. 

Nein, es sei kein Völkermord gewesen, aber eine Tragödie, meinte der Reiseleiter. Denn die Armenier mussten von der Grenze weg, ins Landesinnere. Na klar. Nur, dass alle, egal wo sie wohnten, gehen mussten. Vielleicht ist das für uns ein wenig schwer verständlich, aber die Türkei ist ein Land, in dem es nicht immer einfach ist, irgendeine persönliche Meinung zu haben und diese auch noch öffentlich zu verkünden, besonders dann nicht, wenn sie nicht mit der offiziellen Meinung übereinstimmt. Offiziell wird der Mord an den Armeniern von der türkischen Regierung immer noch bestritten, auch wenn sich Erdogan in diesem Jahr zum ersten Mal dazu geäußert hat. Und allein deswegen kann ein türkischer Reiseleiter auf eine polemische Lehrerfrage auch nur eine diplomatische Antwort geben. 


Freitag, 4. April 2014

Jetzt wird bunt geeiert: Die Osterbrunnen in Franken

Während es in diesem Jahr wunderbar warm ist - und hoffentlich auch bleibt - lag im vergangenen Jahr noch Schnee. Hier ist der Beweis: Auf dem Osterbrunnen in Bieberbach waren die Eier mit einer Schneehaube bedeckt.
Der Besuch in Bieberbach hat mich neugierig gemacht und ich wollte wissen, wer die ganzen Eier malt. Deswegen war ich im Nachbardorf und habe den Frauen zugeguckt. Erste Überraschung: Da malen junge Mädchen mit. Ich hatte tatsächlich nur ältere Damen erwartet. 


Noch ist der Brunnen am Kriegerdenkmal defekt – doch geschmückt wird er zu Ostern trotzdem. „Wir stellen Osterbäume auf und schmücken alles rund um den Brunnen“, bedauerte Judith, dass in diesem Jahr keine Osterkrone auf dem Brunnen sein wird. Kisten und Körbe voll bemalter Eier stehen in ihrer Küche und um den Tisch herum sitzen neben den alteingesessenen Ostereiermalerinnen auch die Kerwasmadla aus Oesdorf, die überall helfen, wo sie gebraucht werden. Mit Kerwasbaum, Kerwasmadla und FCN-Eiern haben sie sich jetzt auf den Ostereiern verewigt. Mit breitem Pinsel werden die Eier grundiert und mit Schaschlikstäbchen werden die Pünktchen und feinen Muster getupft. In Styroporplatten zum Trocknen gespießt, sehen diese bald aus, als sei auf ihnen ein Ostereierwald gewachsen.
Sind die Eier bemalt und trocken, werden sie auf die Osterketten gefädelt. Seit gut 15 Jahren wird der Brunnen hier mit den bunten Eiern geschmückt und so viele Jahre hingen diese inzwischen auf den Osterketten. Also war es höchste Zeit, alle Ketten einmal aufzudröseln. Die Eier wurden gezählt, gereinigt oder durch frisch bemalte ersetzt. Das ganze Jahr haben die Frauen bereits beim Kuchenbacken die ausgeblasenen Eier gesammelt, immerhin werden für alle Osterketten gut 700 Eier gebraucht.
Im Eifer des Ostereiermalens wird der Pinsel schon mal ins Trinkglas getunkt, statt in das dafür vorgesehen Wasserglas, und alle lachen.
Dass die Krone nicht auf den Brunnen kann, finden die Frauen und Mädchen schade. Der Herr vom zuständigen Bauamt erklärte später am Telefon, dass im Rahmen der Dorferneuerung der Brunnen einen neuen Schacht und Inneninstallation bekam: „Jetzt fehlt nur noch eine Pumpe“. Für die Reparatur des unvollständigen Mosaikes im Inneren des Brunnens müssten sich Bauamt und Militärverein noch einigen, wer welche Kosten übernimmt.
  
Wenn es an das eigentliche Schmücken des Osterbrunnens geht, sind viele Menschen aus dem Dorf bereit und helfen mit. Wer selbst nicht schmücken kann, bringt Kuchen und heißen Kaffee vorbei. „Wenn es kalt ist, dann kann man sich an einer heißen Tasse gut die Finger wärmen“, sagt Judith und lacht. Denn die Hauptsache ist die fröhliche Geselligkeit der fränkischen Frauen.




Montag, 24. März 2014

Reise nach Kappadokien: Der Kaffee

"Ei, wie schmeckt der Kaffee süße, lieblicher als tausend Küsse..."
der Text der Kaffeekantate von J. S. Bach war mir lange unverständlich. Wie kann jemand nur diese schwarze, bittere Brühe mögen, gar danach süchtig sein? Ich trank lieber Tee und hatte vorsichtshalber immer ein paar Beutelchen davon in der Tasche, nur so, für alle Fälle, falls ein Gastgeber zwar heißes Wasser, aber sonst nur Kaffee im Schrank vorrätig haben sollte. 
Die Zeiten sind längst passé. 
Milchkaffee, den ich damals noch quietschsüß trank, verbesserte mein Verhältnis zum Kaffee auf den ersten Schluck. Vielleicht lag es einfach daran, dass sämtlicher Kaffee, den ich vorher immer mal probiert habe, einfach kein guter Kaffee war, und wahrscheinlich auch mit viel zu kühlem Wasser aufgegossen. Wenn ich an die erste Kaffeemaschine meiner Eltern denke, dann glaube ich noch heute, dass die fussel- und schlierenfrei polierte Glaskanne wichtiger war, als das, was darin dampfte. 
Inzwischen trinke ich den Kaffee längst ohne Zucker, einfach deswegen, weil ich - es war zur Fastenzeit - auf etwas verzichten wollte, was wirklich schwer fiel. Das war der Zucker im Kaffee. Dachte ich. Nach relativ kurzer Zeit schmeckte er allerdings auch ohne die Süße, und das bis heute. 
Wie komme ich aber jetzt vom Kaffee in die Türkei?
Ganz einfach: 1683 wurde Wien zum zweiten Mal von den Türken belagert. Ein polnischer Kaufmann erbot sich - der Sage nach - Botschaften an das kaiserliche Heer zu überbringen, damit dieses die Wiener aus der Not retten konnten. Weil er die Türken kannte, türkisch sprach und sich als Belgrader Kaufmann ausgab (er hatte dort wirklich eine Weile gelebt), kam er mit List zum kaiserlichen Heer unter dem Herzog von Lothringen und übergab die Papiere. Er kam auch glücklich wieder nach Wien zurück, die Türken wurden besiegt und verjagt. 
Als Belohnung wählte er die Säcke mit den noch ungerösteten Kaffeebohnen, die Lager der Türken zurückgeblieben waren. Zusätzlich bekam er ein Haus geschenkt. Dieser erste Kaffee wurde nach türkischer Art zubereitet: fein pulverisiert, gekocht und mit dem Kaffeesatz am Boden, so dick, dass der Löffel stecken blieb. Was die Wiener dazu brachte, diesen Kaffee, der ihnen erst so gar nicht behagte, dann zu lieben, weiß ich nicht. Sicher ist nur: Wenn man Dinge oft genug probiert und von anderen hört, wie toll diese sind und wie gut sie schmecken, dann gewöhnt man sich an den Geschmack, auch wenn er zunächst noch so grauselig ist. Irgendwann schmeckt es eben doch. 
Ich hatte mich also auf den echten türkischen Kaffee gefreut. Echt. 
Und?
Der erste Kaffee im Hotel war - enttäuschend. Er schmeckte nicht. Er schmeckte mir nicht. Er schmeckte einfach verbrannt. Dabei hatte doch die UNESCO den türkischen Mokka in die Liste des (immateriellen) Weltkulturerbes aufgenommen. 
Der Reiseführer erwähnte irgendwann im Lauf der Reise, dass die Menschen in der Türkei seit etwa 100 Jahren lieber Tee als Kaffee tränken. Das lag daran, dass die von Atatürk neu gegründete Republik nur wenige Devisen zur Verfügung hatte, und diese für andere Dinge brauchte. Außerdem waren diejenigen, die mit Kaffee gehandelt und die Wirtschaft bis dahin dominiert hatten, nicht mehr da: Die Armenier waren tot und die Griechen wieder in Griechenland. In der Schwarzmeerregion war es warm genug für Tee, also gab es einen Erlass, dass dieser dort auch anzubauen sei. Hinter England und Nordirland ist die Türkei heutzutage weltweit auf dem dritten Platz, was den Verbrauch von Tee angeht. 
Auch der nächste Kaffee mit dem echten türkischen Kaffeesatz schmeckte verbrannt. Und der übernächste.
Irgendwann hab ich aufgegeben. 
Und Tee getrunken.
Vielleicht hätte ich einfach länger durchhalten sollen? Mag sein. Irgendwann gewöhnt man sich an alles, klar. 
Doch so viel Zeit blieb mir nicht. 
Macht ja nichts. 
Ich probiere es das nächste Mal einfach noch einmal. 
Oder habe ich nur den falschen Ort gewählt?
Wo hätte ich den türkischen Kaffee trinken müssen, der ein solcher Hochgenuss sein soll, Welterbe, ihr versteht?

Dienstag, 18. Februar 2014

Bamberg: Ausstellung in der Villa Concordia

Kunst ist, wenn man trotzdem lacht...
Neulich, auf Facebook, rutschte eine Einladung über meinen Bildschirm: In der Villa Concordia in Bamberg könne ich Kunst gucken gehen. Für umsonst. 

Warum auch nicht. Es war schließlich Sonntag, und nichts zu tun. Wer will denn schon sonntags arbeiten? Also auf nach Bamberg. 

Auto geparkt und den Rest gelaufen, durch enge Gassen und an alten Häusern vorbei. Im Innenhof eines dieser Häuser zogen sich die Elektrokabel außen an der Hauswand entlang. Am Gässchen endete an einer großen barocken Villa: Villa Concordia, was so viel wie Harmonie oder Einklang heißt. Die Treppenstufen sind beschriftet und über dem Gulli an der Straßenecke kniet eine junge Frau. Als wir fast an der Eingangstür angekommen sind, flitzt sie an uns vorbei, öffnet und entschuldigt sich kurz, weil sie so schmutzige Hände hat. Ihr sei der Schlüssel in den Gulli gefallen und sie müsse ihn wieder rausfischen. 

Sie führt uns nach oben, in den Anbau, in die Ausstellung. Erläutert kurz das Konzept der Villa, die an elf Monaten im Jahr für zwölf Künstler eine Heimat bietet. Bis zum 9. März sind also hier noch die Bilder von Nikita Alexeew zum Thema "Das Ufer" zu sehen. 

Auf einer Wand sind das einfach Fotos. Fotos von der Regnitz. Einmal das rechte Flussufer, einmal das linke. Immer abwechselnd. Lustig werden die Fotos erst durch die Texte, die darunter zu lesen sind. Hier vergleicht Alexeew die Regnitz mit dem Styx, dem Fluss, den nach der griechischen Sage die Toten überqueren, mit Charon als Fährmann. Doch wer über den Styx reist, kommt gewöhnlich nicht zurück. So lange eine Flussüberquerung dauert, so lange ist es nicht sicher, auf welchem Fluss die Fähre unterwegs ist. Erst wenn das Ufer in Sicht kommt, lässt sich ein Wasser vom anderen unterscheiden. 



Während Alexeejew von einem Ufer zum anderen gondelte, ob auf dem Styx oder der Regnitz, Charon von der Fähre sprang, saß dort am Ufer und bastelte in seiner Phantasie fragile Gebilde aus Treibholz und bannte sie mit Aquarell auf Papier. Serielle Fotos, serielle Zeichnungen. Sehr schön. Ich habe versucht, den Titel des Bildes jeweils zu entdecken, manchmal ist es mir gelungen, jedenfalls glaube ich das, aber nicht immer. Es darf auch immer etwas Geheimnisvolles dabei sein, ich muss nicht alles so verstehen und sehen, was der Künstler so gemeint hat. Ich bin ja nicht im Schulunterricht und muss herauskriegen, was jetzt der Lehrer von mir hören will. So zerbrechlich stehen die gemalten Skulpturen auf den Bildern am Strand, dass auf den ersten Blick klar ist: Halten würde das nicht. Wie Luftschlösser oder tanzende Elfen stehen sie am Ufer eines beliebigen Flusses. 

Ein zweiter Teil der Ausstellung ist im alten Rathaus in Bamberg. Einige Videoloops von Manuel Graf, die sind kurz genug, damit ich sie in ganzer Länge angucken kann. Das finde ich in anderen Ausstellungen oft sehr schade, da sind entweder zu viele solcher Installationen oder die dauern so lange, dass ich dann doch lieber weiter ziehe. Jedenfalls sind sie lustig: Eine erinnerte mich an das Bleigießen an Silvester, da entstanden digitale Blasen und Gebilde, die auch benamst wurden. Auf einem Stuhl stand ebenfalls ein Bildschirm und verzog die Lehne. Drei zerrissene Stücke waren dort von Leonid Tsvetkov, und auch hier stand etwas von Nikita Alexeejew: Wurden im Mittelalter die Reliquien der Heiligen verehrt und die Knochen nach dem Tod in reich verzierte Kästchen gesperrt, so geschieht selbiges mit den Dingen, welche heutzutage von den Mächtigen benutzt werden. Diese werden ebenfalls heilig gehalten und hoch verehrt. Doch woher wollten wir denn wissen, ob Magritte jenes Trinkglas oder Warhol jene Taschenlampe, Krupp diesen Schlüssel oder Mussolini ein Schweizer Taschenmesser hatte? In ihrer industriellen Fertigung sind die Gegenstände derart austauschbar, dass die auratische Aufladung durch deren Benutzung unsichtbar ist. Das gilt ebenso für Goethes Federkiel, aber der war wenigstens handgeschnitzt. Alexeejews Zeichnungen vom Schlüssel, Trinkglas, Taschenlampe oder Taschenmesser sind mit ihrer zuweisenden Beschreibung ein spöttisches Augenzwinkern. Nehmt alles nicht so ernst.

Wie gesagt. Schön war es, vergnüglich und pfiffig.
Wer noch will und noch nicht hat, der sollte sich beeilen: Bis zum 9. März ist nicht mehr viel Zeit.  
Ach so. Der anfangs erwähnte Schlüssel wurde aus dem Gulli befreit. Und mit vereinten Kräften das eiserne Gitter wieder richtig eingesetzt. Also: Alles ist am richtigen Platz, Schlüssel, wie Gullideckel. 

Samstag, 15. Februar 2014

Karpfen - eine Annäherung

Bei meiner ersten Begegnung mit einem Karpfen war ich sieben Jahre alt: Der Karpfen schwamm in unserer blauen Kinderbadewanne, die auf dem Fußboden in der Küche stand. Ich kniete neben der Wanne und schaute fasziniert zu, wie der Fisch seine gering bemessenen Runden drehte. Vorsichtig steckte ich die Hand ins Wasser und streichelte den Karpfen vorsichtig über den Rücken. Iiiih. Glitschig und kalt. Ich wähnte mich mutig. Noch mutiger war mein kleiner Bruder, fünf Jahre jünger als ich. Der steckte die Arme bis über beide Ellenbogen in das Wasser, wollte den Fisch fangen und haben. Es gab einen lauten Platscher und er kippte kopfüber in die Wanne, gleichzeitig sprang der Fisch hinaus und zappelte wild auf dem Fußboden. Brüderchen saß breit grinsend und patschnass im Wasser, freute sich ganz offensichtlich und stemmte die Hände auf dem Wannenrand. Es ist erstaunlich, wie kleine Jungs eine für alle anderen offensichtliche Niederlage sofort in einen Sieg für sich ummünzen. Jedenfalls war alles zusammen eine schöne Sauerei, überall Wasser und der kleine Bruder ebenfalls patschnass. Ich glaube, da hatten meine beiden Eltern eine Weile zu tun, bis alles wieder trocken war. 

Ich war längst erwachsen und hatte ein Kind, als ich die nächste Begegnung mit einem Karpfen hatte, der in Stücke geschnitten und blau zu Heiligabend auf dem Teller mit dem Goldrand lag. Das freundlich gemeinte Angebot an das Kind, es könne auch Fischstäbchen essen wies selbiges empört zurück: "Ich bin doch kein Baby mehr". Dabei blieb es. Zwar isst keine meiner Lieblingshausziegen Fisch, aber der Karpfen zählt nicht zu dieser Gattung. Vielleicht haben das ja die Mönche auch so gesehen, die seit dem Mittelalter den Karpfen in Weihern züchteten. Karpfen, nun ja. Wenn es sein musste, dann habe ich ihn gegessen, aber so überragend fand ich ihn nicht. Es ist mit dem Karpfen wie mit vielen anderen Dingen auch: Weil er teuer war, gab es ihn selten. Heiligabend war ein besonderer Abend, da musste auch das Essen dem Anlass entsprechend angemessen sein. In diesem Fall gab es den Karpfen aus der Tradition der bürgerlichen Küche heraus, weil es schon immer so war und selbst die Lieblingshausziegen führen diese Familientradition fort, weil es sich nun einmal so gehört, keiner außer ihnen sie weiter führen kann. Und weil der Karpfen zu Weihnachten kein Zankapfel war, sondern ein Symbol: Der Tisch war weiß gedeckt, mit dem Goldrandgeschirr und Silberbesteck, jeder hat sich extra und ordentlich angezogen und nach dem Essen wurden auch die Geschenke überreicht. 



Donnerstag, 13. Februar 2014

Unterwegs im Aischgrund

Je kleiner die Straßen werden, die in den Aischgrund führen, desto lauter knirschen die Reifen des Autos auf der Fahrbahn. Der Winter ist noch einmal zurück gekommen und hier wird weder geräumt, noch gestreut. Weit geht der Blick über die Ebene, hier gibt es keine Berge als Begrenzung. Die Kirchtürme der Dörfer ragen über den Feldern und Teichen hoch wie die Leuchttürme am Rand der Meere und zeigen an: Hier in den Häusern überall wird gewohnt und geliebt und gegessen und gelacht. 
Überall und rundherum ist Wasser. Nicht so, wie an der Nordsee, an einem Stück, sondern in vielen kleinen Teichen, einer am anderen, einer neben dem anderen. Zwischen den Teichen kann ich gehen. Es gibt richtige Wege, die auch extra gekennzeichnet sind, aber ich kann auch oben über die Dammkronen stiefeln. Das ist ein bisschen wie Hüpfekästchen, nur dass es hier besser ist, wenn ich die Hüpfekästchen, das heißt, die Teiche, nicht treffe. Sonst werde ich nass. Leider kann ich nicht sehen, ob die Teiche auch bewohnt sind. Aber die Reiher ringsherum wissen das sicherlich besser, als ich. Die sitzen und waten und warten. Geduldig. Sie haben Zeit. Mehr als ich. 

Der gewöhnliche Teichbewohner im Aischgrund ist der Aischgrund-Karpfen, der hier seit mehr als 1250 Jahren gezüchtet wird. Weil die Kirche Fastenzeiten verordnete und weil der Karpfen als Fisch in dieser Zeit erlaubt war. Außerdem schmeckt er gut, wenn er ausreichend gewässert wurde. 
Der unschätzbare Vorteil einer Wanderung im Winter durch den Aischgrund ist außerdem: Es sind in dieser Jahreszeit garantiert keine Mücken unterwegs. Wie das im Sommer ist, weiß ich noch nicht. Das wird sich dann zeigen, wenn es so weit ist. Jetzt ist das Schilf weiß überzuckert, ein Hase macht Männchen und ich wusste gar nicht, dass Hasen so groß werden können. Der guckte bestimmt mehr als einen halben Meter hoch. Rehe laufen gemächlich, entweder sind sie an Spaziergänger gewöhnt, oder sie erwarten keine und sind deswegen unbekümmert. Wer weiß das schon. Nur eines, das ein wenig hinter den anderen her trödelt und mir daher näher kommt, kriegt einen Schreck und beeilt sich lieber. 

So ein Hüpfekästchenwandern ist sehr nett. Erst geht es eine Weile in die Richtung, aus der die Sonne scheint, und dann zurück. So ganz ohne Plan. Die Suche nach dem Auto, welches im Irgendwo am Straßenrand steht, ist dann der Stresstest: War ich nun an diesem Teich vorbeigegangen, oder am nächsten. Klar ist: Das Dörfchen, welches gerade vor mir liegt, dort war ich nicht. Also geht es wieder zurück, bis dorthin zu der kleinen Wegkreuzung, wo ich bereits auf dem Hinweg vorbeikam. Kurz vorher zweigt ein schmaler Pfad links ab. Jetzt zeigt sich der eindeutige Vorteil von Schnee, Matsch und Winter: Meine Stiefelspuren sind deutlich zu sehen. Puh. 
Das Auto wartet. 
Zur Belohnung gab es einen Krapfen. In Höchstadt. Mit einer Füllung aus Hagebuttenmark, das hier in Oberfranken Hiffenmark heißt. Allerdings las ich erst auf dem Schild, das vor der Bäckerei stand: Karpfen. 
Karpfen und Krapfen. 

Freitag, 7. Februar 2014

Webmasterfriday: Wer bin ich

Weil Martin vom Webmasterfriday den Überblick verloren hat, möchte er gerne wissen, wer eigentlich die Blogs betreibt. Und so gibt es heute einen 

Blog-Steckbrief in eigener Sache

Wer bist Du und was von deinem Privaten ist für den Blog relevant?
Wie viele andere Menschen auch, bin ich eine Sammlung aus den unterschiedlichsten Rollen: Frau, Muttertier, Schreiberin, Beobachterin, Fotografin, Köchin, in Kürze Oma... (hier lassen sich bei Bedarf auch noch mehr aufzählen). 
Ich gehe gerne wandern. Das ist für den Blog im Moment relevant. Manchmal kommt ein Rezept dazu, oder auch Gedanken zu anderen Dingen. Ich habe den Blog in 111 Sachen in Franken machen umbenannt, als ich im Sommer nach Franken zog.Und weil es sich immer noch wie Urlaub anfühlt, wenn ich hier unterwegs bin, Orte entdecke und dann darüber schreibe. Persönlicher wird es eher auf meinem anderen Blog. Doch dort schreibe ich im Moment nicht so häufig.
Einen anderen Blog habe ich kürzlich mit der Lieblingshausziege eröffnet: Auf Muttertierleben schreibe ich über das Leben mit einem Teenie, und sie antwortet oder schreibt eigene Gedanken auf ihrem Blog. Mal sehen, was daraus wird. 

Wie lange bloggst Du schon?
Seit sieben Jahren. Inzwischen bereite ich den Umzug von blogspot auf eine eigene Webseite vor. Demnächst. Wenn mal Zeit ist, alles fertig zu stellen.  

Was ist das Hauptthema Deines Blogs und welches sind Deine erfolgreichsten bzw. wichtigsten Artikel bisher?
Vor sieben Jahren habe ich mir über mein Blogthema keine Gedanken weiter gemacht, ich habe einfach gebloggt, was mich interessiert hat und was mir so einfiel. Manchmal verging relativ viel Zeit zwischen den einzelnen Posts, weil ich ja auch mein Geld mit dem Schreiben verdiene. Die Konzentration auf die Entdeckungen in Franken und die Beschreibungen davon hat sich deswegen herauskristallisiert, weil die Beiträge über Wanderungen am Erfolgreichsten waren. Das hatte ich ursprünglich gar nicht so geplant, zumal diese ersten Wanderposts eigentlich nur "Zweitverwertung" waren, von meinen Artikeln, die in der Zeitung standen. 

Hast Du Ziele mit deinem Blog? 
Bisher nicht. Wenn ich allerdings die Wander- und Entdeckerposts dann auf einer eigenen Webseite habe, kann es schon sein, dass ich diese zu einem Buch zusammen fasse. Außerdem bin ich gerade dabei, eine Reihe von Texten zu schreiben, die sich um den Weg zu einem persönlichen und kreativen Reise- oder Wandertagebuch drehen. Ob das nun ein Buch wird, oder ich diese als Blogbeiträge veröffentliche, das weiß ich noch nicht. Mal sehen. Bisher trage ich Ideen zusammen, sammele kreative Techniken, probiere selber diese Dinge aus und lese viel dazu. 

Welche anderen Blogs liest Du gerne? 
Da gibt es eine ganze Menge, so viele kann ich hier gar nicht aufzählen. Aber drei möchte ich doch erwähnen: 
Isabel Bogdan (die ich in einem Seminar in Wolfenbüttel kennen gelernt habe) 
Frederik Weitz (der viel über die Struktur von Sprache und Schrift schreibt und Videos dazu veröffentlicht) 
Kolumnen lese ich immer gerne (da gibt es oft was zum Lachen)

Freitag, 31. Januar 2014

Webmasterfriday - Abzocke im Internet

Ob ich schon einmal im Internet abgezockt wurde? Ehrlich?
Das fragt der Webmasterfriday.  

Glücklicherweise nicht. Einfach deswegen, weil ich nichts kaufe, was ich nicht brauche. Weder Klingelton, noch Clubmitgliedschaft bei Web.de. Dort habe ich zwar mein elektronisches Postfach, aber es nervt einfach nur, wenn statt des Postfachs ein Geburtstagsglückwunsch mit dem kostenlosen Clubzugang auftaucht. Ich will bei denen in keinem Club Mitglied sein, deswegen ist mir glücklicherweise auch entgangen, dass dieser nach einiger Zeit sehr wohl kostenpflichtig ist. 

Auch in der Nicht-Internet-Welt möchte ich keine Kaffeemaschine kaufen und dazu noch eine Kuscheldecke gratis bekommen, die ich nicht brauche. Deswegen fällt es mir leicht, solchen Verlockungen zu widerstehen. Ob Horoskop, Rezept oder Hausaufgabenhilfe: Ich brauche nichts. Deswegen brauche ich auch keinen Dienst, der mir das anbietet. Suche ich ein ganz bestimmtes Rezept, dann finde ich das auch. Damit ein Mensch nicht im Internet abgezockt wird, hilft es, wenn sich dieser sein Haben-Wollen und seiner Gier nach Dingen bewusst ist. Denn genau das wird ausgenutzt, wenn im Internet eine süße Versuchung lockt. Es erinnert mich immer an eine Mausefalle: Vorne klemmt der Speck und wenn die Maus dem Duft nicht widerstehen kann, dann schnappt der Bügel zu. Vor dem Haben-Wollen zu Denken schadet nicht, auch wenn es manchmal weh tut. 

Seit etwas über einem Jahr sind Firmen verpflichtet, einen eindeutigen Knopf auf der Webseite zu haben, auf dem "Kaufen" oder so steht, damit auch jeder verstehen kann, dass es hier nichts umsonst gibt. Leider hat sich das offenbar noch nicht überall herumgesprochen. Die Verbraucherzentralen monieren, dass es immer noch Firmen gibt, die sich nicht daran halten. Wie beispielsweise melango.de, ein Schnäppchenmarkt, der sich eigentlich - das steht in den Vertragsbedingungen - an Unternehmer richtet. Doch auch ganz normale Menschen konnten sich einloggen und auf die Produkte klicken. Danach sollten sie sich registrieren: Name, Adresse und E-Mail-Adresse waren gefragt. Allein dafür sollte eine Grundgebühr von 249 Euro und eine einmalige Aufnahmegebühr von 199 Euro fällig werden. Der Hinweis auf die Kosten war hübsch versteckt und eine Widerrufsbelehrung gab es auch nicht. Das Landgericht Leipzig hielt das für rechtswidrig. Wenn eine Seite nur für Unternehmer und Gewerbetreibende ist, dann muss diese dafür sorgen, dass sich Otto Normalverbraucher dort nicht einfach anmelden kann und dafür abkassiert wird. 

Auch die Werbung für die Clubmitgliedschaft bei Web.de wurde vom Landgericht Koblenz als rechtswidrig eingestuft. Zwei Monate lang sollte der Zugang kostenlos sein. Glücklicherweise brauche ich nichts, was mir als kostenlos hinterhergeworfen wird, schon gar nicht eine Clubmitgliedschaft. Was soll ich damit? Hätte ich hingegen zugestimmt und nicht rechtzeitig gekündigt, dann hätte ich nach den kostenlosen zwei Probemonaten jeden Monat fünf Öcken gelöhnt, mindestens für ein Jahr lang. Weil dieser Hinweis nur im Kleingedruckten versteckt war, hielt das Landgericht Koblenz diese Werbung für unzulässig. 

Fazit:
Diese Firmen nutzen einfach die Gier und das Haben-Wollen der Menschen aus. Würden sich mehr Menschen darüber Gedanken machen, was sie mit dem Zeug eigentlich wollen, dann könnten solche Abzocker keine Kohle verdienen.