Freitag, 19. April 2013

Käse im Kirchhof


Käse fängt mit Krümeln an.

Käseproduzentin Renate Kremin-Hannig streckt einen Finger aus und berührt vorsichtig die Oberfläche einer mattweißen Flüssigkeit. Die erzittert sanft und spannt sich unter dem Fingerdruck wie ein Wackelpudding.
Das soll Milch sein?
Ich stehe auf dem Kirchhof in Oberellenbach und staune. „Wir haben die Milch vor einer halben Stunde eingelabt – und jetzt ist sie schon fest“, lacht die Biohof-Betreiberin über mein ungläubiges Gesicht.

Sauberkeit ist oberstes
Gebot beim Käsemachen. Kein Härchen darf im Käse landen. Deshalb habe ich – wie alle anderen auch - eine weiße Haube auf, eine Plastikschürze umgebunden und trage Gummistiefel. Ein wenig sieht es aus wie in einem Operationsaal.
Renate Kremin-Hanig nimmt die Käseharfe, die wie ein riesiger Eierschneider aussieht und schneidet damit die fest gewordene Milch erst in Scheiben und dann in Stücke. Aus den Schnittkanten tritt sofort fast farblose Molke aus.
Nun müssen die Teilnehmer des Käseworkshops ran: Eine Frau bekommt gleich die Käseharfe in die Hand gedrückt: „Schön gleichmäßig und zügig durchziehen“, kommandiert Kremin-Hannig, stützt die Hände auf den Kesselrand und schaut zu, wie alle an der Käseharfe arbeiten. Das klappt ganz gut.
Die Männer und Frauen schwitzen in dem Raum, denn der Käsebruch will es warm haben. Nachdem die dicke Milch in allen Bottichen geschnitten ist, heizt Renate Kremin-Hannig den Bruchstücken unterschiedlich stark ein – je nachdem, welche Art Käse daraus werden soll.
Währenddessen hat sich Godehart Hannig mit den Teilnehmern in eine Grundsatzdebatte rund ums Milchprodukt verstrickt. Auf dem Kirchhof wird nämlich Rohmilch verarbeitet. Das heißt: direkt so, wie sie aus dem Kuh- oder Ziegeneuter kommt. Das sei nicht nur schmackhaft, sondern auch besonders bekömmlich, sagt Hannig. Er berichtet von Menschen, für die behandelte Kuhmilch unverträglich ist, die aber kein Problem mit Rohmilch hätten. Manche hätten aber Vorbehalte gegen Käse aus unabgekochter Milch, weil sie sich vor Keimen fürchten. Inzwischen hat der Rohstoff die richtige Konsistenz. Renate Kremin-Hannig greift in den Kessel, hält Käsebruch in der Hand und reicht ihn herum: Er fühlt sich wie Styroporkügelchen an. Die angehenden Käseexperten kosten und sind überrascht: Er schmeckt nach nichts. „Der Geschmack kommt später in den Käse“, sagt Godehart Hannig lachend. Das sei noch viel Arbeit und Pflege.
Um die Molke vom Bruch zu trennen, schöpfen die Anfänger mit Eimern erst den großen Kessel für den Hartkäse leer, danach die anderen Behälter. In unterschiedliche Formen gefüllt, fließt und tropft die Molke vom krümeligen Rest, der später zu Käse wird. Eine nasse Angelegenheit. Für den Hartkäse muss die Molke mit Druck herausgepresst werden, sonst wird aus dem Käse nichts. 

Die Teilnehmer am Käseworkshop versuchen sich daran, die Rohrformen mit dem künftigen Camembert zu drehen. Gar nicht so einfach, das an beiden Enden offene Rohr zu wenden, ohne dass der Käsebruch herausbröckelt. 

Anschließend muss der Käse reifen, immer wieder gewendet und gebürstet werden, während in seinem Inneren die Bakterien ihr Werk tun. 

Ohne Lab aus dem Magen wird kein Käse: Tierisches Lab wird in der inneren Haut des Labmagens junger, Milch saugender Wiederkäuer zur Milchverdauung produziert. Jedes Säugetier produziert sein spezielles Lab zur Verdauung der Muttermilch. Und dieser Stoff aus dem Kälbermagen sorgt dafür, dass die Milch erst dick und dann zu Käse wird. Meist findet für die Käsebereitung Lab von Kälbern für Kuhmilch Verwendung, es kann aber auch von Schafen, Ziegen und anderen Tieren stammen. Für die Herstellung von Naturlab werden Kälbermägen benötigt. Nur ein Drittel der Käseproduktion kann mit Naturlab produziert werden, da die Käseproduktion weltweit jährlich steigt. Für den verbleibenden Rest - und die Vegetarier - werden alternativ mikrobielle Produkte verwendet. 
 Hier liegt der künftige Hartkäse in Salzlake.
Nein, das ist kein Wagenrad.




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