Montag, 4. April 2011

Märzenbecherzeit

Wolkenweiß schweben die Glöckchen der Märzenbecher über den dunkelgrün himmelwärts strebenden Blättern, die Spitzen getupft.
Hellgrün die gerade erblühten, etwas blasser die Tupfen der Blüten, die bereits kurz vor dem Verblühen sind.
Unter unbelaubten Buchen weit - so weit man sehen kann: ein grüner Teppich mit weißen Märzenbecherglöckchenflusen drüber.


Oben auf dem Bergkamm ein Weg und ein Blick: Weit über das gegenüberliegende Tal, über Dörfer. Warum kann eigentlich nicht über jedem Dorf ein Name schweben, so dass man es kennt - so wie in der Werbung für die modernen Taschentelefone, die bald sogar Gesichter erkennen und benamsen können sollen?

Auf dem Weg vom Dorf im Tal (Ulfen) bis hinauf zum Bergkamm links zwischen zwei Wäldchen sanft geneigte Wiesen mit Hochsitz:
Hier stand einst auch ein Dorf, Rittershain. Auf Luftaufnahmen vor fünfzig Jahren sind die Grundmauern der Häuser und der Kirche noch gut erkennbar.

Einen Friedhof gab es, mit versunkenen und überwucherten Steinen - und einer weißen Blume. Die Alten aus Ulfen wissen noch von der Blume und ihrer Mär:

Dort liegt ein Mädchen begraben, das sich - bereits schwerkrank - eine besondere Blume auf ihrem Grab wünschte. Diese Blume sollte nur für sie auf ihrer letzten Ruhestätte blühen - nirgendwo sonst.

So geschah es auch.


Die Blume blühte, jahrhundertelang. Grub jemand einen Teil davon aus und verpflanzte es in seinen eigenen Garten - so ging die Pflanze ein.

Nach der Pest im dreißigjährigen Krieg - so erzählen die Alten aus Ulfen - lebte in dem kleinen Dorf Rittershain niemand mehr. Die Häuser verfielen im Laufe der Zeit und der Friedhof wucherte zu.

Doch alte Leute erinnern sich bis heute: Als Kinder spielten sie, während die Eltern bei der Feldarbeit beschäftigt waren - da stand die Blume noch und sie erfuhren vom Grab des Mädchens aus Rittershain.

Seit der Flurbereinigung vor fünfzig Jahren ist von Rittershain und von der Blume keine Spur mehr zu finden.