Mittwoch, 30. April 2014

Reise nach Kappadokien - die tanzenden Derwische

Wer sich nach vorne in die erste Reihe setzt, soll sich warm anziehen, sonst würde es kühl werden, hatte der Reiseleiter noch gewarnt. Dabei wollte ich nur besser und vor allen Dingen ungehindert auf die Bühne sehen, auf der die Derwische tanzen sollten. Doch wie bei jeder guten Vorführung ist das Warten darauf ein Teil der Vorfreude und so dauerte es eine Weile, bis zunächst die Musiker, später dann auch die Derwische kamen. 

Mit Musik und Gesang, einer Lobpreisung des Propheten begann alles, so stand es auf dem Zettel, der die Zeremonie erklärte. Das ist auch wichtig, weil sonst kaum jemand der Zuschauer die Sprache und den Ablauf verstehen kann. Aber ist mit einer solchen Erklärung das Wesen zu erfassen, das Wesen, das sich hinter dem Tanz der Derwische verbergen soll, das Geheimnis quasi? Wahrscheinlich genauso wenig, wie sich mit einer Erklärung über die Baugeschichte einer Kathedrale deren Faszination erklären lässt, welche die weit gespannten und hohen Gewölbe auf die Menschen ausüben. Nur: Hier ist es eine andere Kultur, in der ich nicht zu Hause bin, und die mir deswegen viel fremder und verschlossener ist, als meine vertraute und eigene Welt. 

Wie sieben weiße Vögel breiteten die Männer später ihre Arme aus, die weiten Gewänder wurden zu Schwingen. Doch sie flogen nicht, sondern drehten sich nur, stundenlang, wie mir schien. Dabei hatten sie ihre Köpfe auf die Schultern geneigt und ihre Augen geschlossen. Sie drehten sich um ihre eigene Achse, schnell, weiter, ständig, ohne aufzuhören und ohne zu torkeln. Wenn ich mich so lange drehen würde, dann hätte ich hinterher einen Drehwurm und würde torkeln, wenn ich aufhören würde, mich zu drehen. Doch die Derwische drehen sich weiter, strecken den rechten Arm zum Himmel, mit geöffneter Hand, von dort empfangen sie sowohl die Weisheit, als auch die Güte Gottes, die sie mit dem anderen Arm, der zur Erde weist, an die Menschen weiterreichen. 

Der steingraue Filzhut auf dem Kopf ist das Symbol für ihren Grabstein, die weißen Gewänder stellen die Totenhemden dar. Es wurde wirklich kühler im Raum, obwohl so viele Menschen drumherum saßen. Es wurde kühler, weil die weiten Gewänder der Tänzer wirbelten und damit die Luft kühlten. 

1925 ließ Kemal Atatürk alle Derwischorden verbieten: Er sah in ihnen, die so ihre Traditionen verhaftet waren, eine Gefahr für die moderne Türkei, die er errichten wollte. Die Klöster, wie das in Konya, wurden aufgelöst und die meisten Tänzer, welche heute vor Touristen auftreten, sind in Vereinen organisiert und ich bin mir nicht sicher, ob sie hier einfach nur eine Show boten, oder dabei mit ihrem Tanz einen wirklichen Kontakt zu Gott aufbauen. 

Dabei ist Konya eigentlich der beste Ort, um einen echten Derwisch zu treffen. Hier war das Kloster, in dem Rumi einst lebte und in dem die Derwische diesen von ihm erfundenen Wirbeltanz praktizierten. Zwar wurde aus dem Kloster ein Museum, doch viele der türkischen Besucher sehen eher nach Pilgern aus: Sie wenden ihre Handflächen zum Himmel, wippen mit dem Oberkörper, murmeln leise vor sich hin. Die langen Gewänder, die von den Sufis getragen wurden, hängen in Vitrinen. In Avanos dagegen, in einer Höhle, sahen wir eine Zeremonie der Derwische. Ob es echte waren? Wer weiß. Vielleicht ist auch alles nur Tarnung, damit die Männer, die diese Meditation praktizieren, nicht ins Gefängnis müssen. Immerhin wurde 80 Jahre nach der Aufhebung des Ordens die Zeremonie der Tanzenden Derwische auf die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes aufgenommen, welche auch aus dem mündlichen und immateriellen Erbe der Menschheit besteht und nicht nur aus alten Gebäuden und Stätten. 

Die persische Flöte Nei wird von Laute, Zither und Trommel begleitet. Der Tanz der Derwische ist ihr Gebet, und ihr Zugang zu Gottes Geist. Kann ja sein. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass Gott dazu gesagt hat, dass ringsum dicht gedrängt wie in einem Zirkuszelt viele zahlende Touristen sitzen sollen. 

Samstag, 26. April 2014

Vor 99 Jahren in der Türkei

Es gab so einen kurzen Moment, irgendwann im Bus, in dem Dämmer zwischen Schlafen und Wachen, in dem mein Blick hinaus aus dem Fenster auf das öde Land fiel, welches sich kahl und graubraun bis zum Horizont zog. Ich sah fahle runde Dinge - und war sofort hellwach. Phantasie ist ein grandioser Muntermacher. Glücklicherweise entpuppte sich das, was ich im ersten, noch schläfrigen Moment für menschliche Schädel hielt, später im wachen Licht als Überreste von Kürbissen.

Wieso ich die Reste helle Kürbisse in meiner Phantasie für menschliche Schädel hielt, lag sicherlich auch daran, dass ich vor der Reise in die Türkei ein Buch las, eines, das mich immer wieder fesselt und welches ich schon oft gelesen habe: "Die vierzig Tage des Musa Dagh" von Franz Werfel, ein Buch, das auf einer wahren Begebenheit beruht. Es liest sich unglaublich spannend, berichtet von Grausamkeiten und alltäglichem Heldenmut, und davon, dass durch den Widerstand und die Flucht der Menschen auf den Musa Dagh, den Berg Moses, etwa 4.000 Menschen dadurch gerettet werden, dass sie von einem französischen Kriegsschiff, der Guichen, aufgenommen werden. 

Vor inzwischen 99 Jahren, am 24. April 1915, beschloss die türkische Regierung, welche seit 1908 an der Macht war, die Armenier zu verhaften und zu deportieren, sie begannen, die Menschen aus ihren Häusern zu vertreiben, sie ermordeten Männer und Jungen, sie trieben die Frauen und Kinder auf lange Märsche, auf denen mindestens anderthalb Millionen Menschen starben. Überlebt haben nicht viele davon. Das sollten sie ja auch nicht. Es gibt eine Menge darüber zu lesen, wie hier auf Arte und diesen Dokumentarfilm kann man auch angucken. 

Irgendeiner aus der Reisegruppe stellte dann später, irgendwann, schon ziemlich gegen Schluss der Reise, die unvermeidliche Frage nach den Armeniern und der Schuld der Türken an den Reiseleiter. Er fragte so, wie es Lehrer manchmal so an sich haben, fragte den Reiseleiter auf eine Weise, dass es eigentlich auf diese Frage nur eine mögliche Antwort geben konnte. Doch der Reiseführer beantwortete diese Frage nach den Armeniern und dem Völkermord außerordentlich diplomatisch, wie er überhaupt immer diplomatisch war, wenn es um heikle Fragen ging. 

Nein, es sei kein Völkermord gewesen, aber eine Tragödie, meinte der Reiseleiter. Denn die Armenier mussten von der Grenze weg, ins Landesinnere. Na klar. Nur, dass alle, egal wo sie wohnten, gehen mussten. Vielleicht ist das für uns ein wenig schwer verständlich, aber die Türkei ist ein Land, in dem es nicht immer einfach ist, irgendeine persönliche Meinung zu haben und diese auch noch öffentlich zu verkünden, besonders dann nicht, wenn sie nicht mit der offiziellen Meinung übereinstimmt. Offiziell wird der Mord an den Armeniern von der türkischen Regierung immer noch bestritten, auch wenn sich Erdogan in diesem Jahr zum ersten Mal dazu geäußert hat. Und allein deswegen kann ein türkischer Reiseleiter auf eine polemische Lehrerfrage auch nur eine diplomatische Antwort geben. 


Samstag, 19. April 2014

Reise nach Kappadokien - die unterirdische Stadt

11.000 Jahre alt ist die Geschichte der Menschen in Kappadokien. Steinzeitmenschen, Seldschuken, Römer, Griechen, Frühchristen, Türken, Armenier, Griechen... als Tacitus von den Germanen behauptete, sie lägen noch auf Bärenhäuten und soffen sich eins, zog durch Kappadokien längst alles, was damals Rang und Namen hatte. Die Seidenstraße führte quer durch das Land hindurch, und weil die kilikische Pforte der einzige Weg durch das Taurus-Gebirge war und ist, auf dem sich die anatolische Hochebene einigermaßen bequem besteigen lässt, ohne dass hohe Pässe passiert werden müssen, zogen Händler und Eroberer gleichermaßen über das Land. Einen Umweg hat keiner gemacht, und schon gar nicht wegen der Menschen, die hier lebten. 
Die Menschen, die hier in Kappadokien lebten, hatten sich also auch vor den Türken und der Invasion durch Touristen bereits daran gewöhnt, dass aus allen Richtungen Fremde durch ihr Land zogen: Aus dem Osten kamen die Perser, aus dem Südosten zuerst Araber, später Türken, aus dem Westen die Griechen, Römer und Kreuzritter, und aus dem Norden die wilden Reiter vom Schwarzen Meer. 
Irgendwie lag somit Kappadokien immer auf dem Weg, und war damit alles andere als Provinz. Hier trafen Kulturen, Religionen und Völker aufeinander. 

Heute dagegen sieht Kappadokien wie ein Hinterland aus, so richtig wie Oberpampa: Nichts ist los und davon besonders viel. 
Aber nicht alle, die durch das Land zogen, hatten friedliche Absichten. Deswegen sorgten die hier lebenden Menschen dafür, dass sie sich bei Bedarf in Sicherheit bringen konnten. Waren Perser oder Römer im Anmarsch, dann suchte die Bevölkerung ihre Fluchträume auf, die sie vorher aus dem weichen Tuffstein gegraben hatten. Das letzte Mal benutzten die kappadokischen Bauern 1838, als die Ägypter kamen, eine solche Fluchtburg unter der Erde. Nur zufällig wurden diese wieder entdeckt, erzählte der Reiseführer. Viele Meter tief, bis zu acht Stockwerken, reichten manche dieser unterirdischen Bunkeranlagen. Die Größenordnung ist immens und sie wurden so angelegt, dass die Menschen in ihnen für eine ganze Weile sicher waren. Es gab Ställe, Vorratsräume, Latrinen, eine Kirche, einfach alles, was für ein komplettes Leben unter der Erde notwendig war. Gut, die Aussicht als solche war nicht so besonders. Aber die war auch nicht wirklich gefragt. Die Gänge waren schmal, manche ziemlich steil, vor allen Dingen manchmal unbequem zu laufen und somit auch schwer zu erobern, falls einer der Invasoren sich fragen sollte, wo die ganzen Bewohner denn so abgeblieben waren und auf die Suche ging. 

Große runde Steine standen in Nischen bereit, damit sie im Ernstfall der Verteidigung wie in einer Laufschiene vor die Türen gerollt werden konnten und somit den entsprechenden schmalen Gang abriegelten. Mit Loch in der Mitte, nicht als Türspion, zum Gucken, sondern dafür, dass ein Speer den Angreifer empfindlich im Bauch pieken konnte. An den Seiten und in der Decke gab es dazu auch solche Löcher. Eine Theorie besagt übrigens, dass diese unterirdischen Städte weniger zur Flucht, denn zur Verteidigung dienten. Wer von der kilikischen Pforte kam, musste an ihnen vorbei Spießruten laufen. Denn Siedlungen sind hier oben auf der Hochebene, so ohne Wasser, Bäume und Sträucher, generell eher unbequem. Da waren (und sind) die Täler, die weiter unten liegen, wesentlich attraktiver. Aber dazu komme ich noch. Später. 

Zwischen unspektakulären Hütten hielt der Bus mitten in dieser Pampa und als wir ausstiegen, wedelten Frauen mit Püppchen und riefen dazu "Ein Euro". Türkische Barbies, handgebastelt, erklärte der Führer. Da die Lieblingshausziege nicht mehr im Barbie-Alter ist, und ich keine Staubfänger in der Wohnung brauche, kaufe ich noch nicht mal aus Mitleid ein solches Püppchen. Andere Mitreisende schon, aus welchem Motiv heraus auch immer. 



Der Eingang zur unterirdischen Stadt war ebenso unspektakulär. Einfach ein schmaler, staubiger Pfad, an einer Hütte mit Vorplatz entlang, zu einer schmalen Türöffnung, die sich nicht von den Türöffnungen der umliegenden Behausungen zu unterscheiden schien. Der erste Raum war nur durch diese Tür zu betreten und völlig ohne Fenster. Eine Scheune, sagte der Reiseführer. Es ging weiter, durch Räume, enge Gänge, schmal und niedrig. Im Ernstfall ließen sich diese gut verteidigen. 


Oft geht es nur ganz langsam weiter, so trippelschrittchenweise, weil der Blick nicht weit reichte und die Beleuchtung nicht so sehr hell war. Wie mag das erst gewesen sein, als es weder Strom, noch Glühbirnen, sondern nur Kerzen, Fackeln und Öllämpchen gab? Wer Angst hatte, Angst vor der Enge, der bleibe besser draußen, hatte Ertan, unser Reiseführer, vorher gewarnt. Es gab Lüftungslöcher und Rinnen, die in Zisternen führten. Kein Ungeziefer wage sich hier herein, sagte der Führer, nichts käme nach unten, weder Ratten, noch Fledermäuse. Dafür aber Touristen. Warum eigentlich? So viel gab es ja hier unten nicht zu sehen: keine Bilder, keine Möbel, einfach nichts, nur leere steinerne dunkle Räume. Aber einmal dort gewesen sein, das war schon was. 
Schade nur, dass es so schnell mit dem Bus wieder weiter ging. 

Dienstag, 8. April 2014

Kappadokien - das Kloster in Konya

"Das ist doch alles Hottentottenmusik", wehrt die Großmutter ab, als ihr die Enkelin vergnügt die neue CD von Xavier Naidoo zum Hören anbot. Zwei Tage später wollte dafür das Kind weit weg von der Blasmusik in Stadtpark: "Das ist mir zu laut!" 

„Jenseits von richtig und falsch gibt es einen Ort, dort treffen wir uns.“ (Rumi)

Eine grüne Kuppel leuchtet weit über den Dächern. Darunter ist ein Grab, erzählt unser Reiseführer Ertan, und in Grab ist Dschalal ad-Din Muhammad Rumi begraben. Nie gehört? Ich auch nicht, bis jetzt jedenfalls. Rumi war ein islamischer Mystiker, also einer, der Zeug schreibt, was zwar kaum von jemandem wirklich durchdacht und verstanden wird, was sich dafür aber hübsch und tiefsinnig anhört. 

In dem Gebäude stehen ziemlich viele mit Decken verhüllte Särge, auf jedem liegt ein Turban obenauf. Die Särge kommen mir ganz schön klein vor. Wurden damals die Toten zusammengefaltet? "Die Särge sind nur symbolisch", klärt Ertan auf, die Gräber seien ganz normal unten drunter, im Boden. Unter dem größten Sarg von allen liegt der islamische Mystiker und Gelehrte Rumi, dessen Vater schon ein Gelehrter war. Sohn studierte beim Vater, und übernahm später seine Stelle. So weit, so normal. 

Irgendwann, da war Rumi (der Name kommt übrigens davon, dass in Konya damals die Rum-Seldschuken herrschten) bereits etabliert, geachtet und hoch angesehen, kam zu ihm ein Schüler, ein bis dahin unbekannter Derwisch namens Schams. Ab jetzt wird es romantisch, irgendwie, denn die beiden haben sich verliebt. So richtig ineinander verknallt, auch wenn Rumi längst verheiratet war und Kinder hatte. Dabei geht so eine Verknalltheit ja auch, wenn man nicht miteinander ins Bett stiefelt. Dann himmelt man sich an, schwärmt und ist überhaupt ganz hin und weg. Plötzlich interessierte sich Rumi nicht mehr für sein Leben als seriöser Lehrer der islamischen Religion, sondern aus ihm wurde ein liebestrunkener Mann, dem Dichtung, Musik und Tanz viel wichtiger waren, als die Moschee. Zum Glück, möchte man heute sagen. Sonst hätte er nicht diese Verse verfasst, die immer noch vielen Menschen bekannt sind, die sogar von Madonna vertont wurden. Überhaupt sind seine Verse in Amerika Bestseller, nur ich habe noch kein Buch von ihm gelesen. (Muss ich mal nachholen, solche Bildungslücken müssen einfach gestopft werden)

Jedenfalls beschreibt er darin seine Idee der Liebe, welche nicht nur zu einer Erkenntnis führen soll, sondern auch für alle Menschen und Religionen gleichermaßen gültig ist. Irgendwie gab es wohl damals auch Menschen, denen diese Liebe zwischen Rumi und Schams unheimlich gewesen sein muss. Nicht jeder kann schließlich einen Mystiker verstehen. Schams wurde von Rumis Anhängern angefeindet, abgelehnt, und er floh vor ihnen schließlich nach Damaskus. Rumi schickte seinen Sohn hinter ihm her, damit Schams zurückkam. Doch nach einer Weile verschwand Schams wieder. Wohin? Das weiß niemand. Vielleicht reiste er heimlich und spurlos an einen Ort, wo ihn niemand kannte und finden konnte. Vielleicht aber wurde er auch von eifersüchtigen Menschen ermordet. 


Rumi gründete den Orden der tanzenden Derwische und glaubte daran, dass sich mit Musik und dem spirituellen Tanz der Mönche eine Ekstase erreichen ließe, in welcher der betende Tänzer an der universellen Liebe teilhaben könnte. Auf seinem Mausoleum steht: "Sucht unsere Gräber nicht auf der Erde - unsere Gräber sind in den Herzen der Erleuchteten". Und so pilgern viele Türken immer noch nach Konya, um Rumi zu ehren. Überhaupt ist Konya eine durchaus sehr konservative Stadt. In keinem Restaurant wird Alkohol ausgeschenkt, warnt Ertan alle seine Reisenden vor, damit die Enttäuschung später nicht so groß ist. Das Kloster selbst wurde unter Atatürk säkularisiert. Seitdem sind die tanzenden Derwische in einem Verein organisiert, erklärt Ertan. 










In der Küche der Klosters ist gegenüber vom Herdfeuer eine Nische: Dort saß derjenige, der im Kloster der tanzenden Derwische aufgenommen werden wollte. Drei Tage lang musste er beobachten - und wurde beobachtet, ob er sich würdig verhielt. Rundherum an der Außenmauer entlang lagen die kleinen Zellen der Mönche, jede mit einem kleinen Kamin ausgestattet. Heute sind in den Zellen Dinge von damals ausgestellt: Musikinstrumente ebenso, wie alte Texte, Gewänder, Kalligrafien und Kunstwerke. Auf dem Bild sind die kleinen spitzen Schornsteine zu sehen: für jede Zelle einer. Vorne im Hof sind noch weitere Gräber, es gab viele ehrenwerte und verdiente Menschen, die dort beerdigt werden durften. 


In der Moschee selbst schützen blaue Plastiküberzieher den Boden vor den Straßenschuhen. So können diese an den Füßen bleiben. Manche stehen und beten, manche haben es eilig und schieben, damit es schneller vorwärts geht. Dabei ist noch verhältnismäßig wenig los. Draußen auf dem Gelände wollen junge Menschen einen Film drehen, ich setze mich auf eine Bank und gucke eine Weile zu. Sie ändern immer wieder ihren Standort und bauen ihre Kamera neu auf, doch überall laufen ihnen Besucher ins Bild. 


Freitag, 4. April 2014

Jetzt wird bunt geeiert: Die Osterbrunnen in Franken

Während es in diesem Jahr wunderbar warm ist - und hoffentlich auch bleibt - lag im vergangenen Jahr noch Schnee. Hier ist der Beweis: Auf dem Osterbrunnen in Bieberbach waren die Eier mit einer Schneehaube bedeckt.
Der Besuch in Bieberbach hat mich neugierig gemacht und ich wollte wissen, wer die ganzen Eier malt. Deswegen war ich im Nachbardorf und habe den Frauen zugeguckt. Erste Überraschung: Da malen junge Mädchen mit. Ich hatte tatsächlich nur ältere Damen erwartet. 


Noch ist der Brunnen am Kriegerdenkmal defekt – doch geschmückt wird er zu Ostern trotzdem. „Wir stellen Osterbäume auf und schmücken alles rund um den Brunnen“, bedauerte Judith, dass in diesem Jahr keine Osterkrone auf dem Brunnen sein wird. Kisten und Körbe voll bemalter Eier stehen in ihrer Küche und um den Tisch herum sitzen neben den alteingesessenen Ostereiermalerinnen auch die Kerwasmadla aus Oesdorf, die überall helfen, wo sie gebraucht werden. Mit Kerwasbaum, Kerwasmadla und FCN-Eiern haben sie sich jetzt auf den Ostereiern verewigt. Mit breitem Pinsel werden die Eier grundiert und mit Schaschlikstäbchen werden die Pünktchen und feinen Muster getupft. In Styroporplatten zum Trocknen gespießt, sehen diese bald aus, als sei auf ihnen ein Ostereierwald gewachsen.
Sind die Eier bemalt und trocken, werden sie auf die Osterketten gefädelt. Seit gut 15 Jahren wird der Brunnen hier mit den bunten Eiern geschmückt und so viele Jahre hingen diese inzwischen auf den Osterketten. Also war es höchste Zeit, alle Ketten einmal aufzudröseln. Die Eier wurden gezählt, gereinigt oder durch frisch bemalte ersetzt. Das ganze Jahr haben die Frauen bereits beim Kuchenbacken die ausgeblasenen Eier gesammelt, immerhin werden für alle Osterketten gut 700 Eier gebraucht.
Im Eifer des Ostereiermalens wird der Pinsel schon mal ins Trinkglas getunkt, statt in das dafür vorgesehen Wasserglas, und alle lachen.
Dass die Krone nicht auf den Brunnen kann, finden die Frauen und Mädchen schade. Der Herr vom zuständigen Bauamt erklärte später am Telefon, dass im Rahmen der Dorferneuerung der Brunnen einen neuen Schacht und Inneninstallation bekam: „Jetzt fehlt nur noch eine Pumpe“. Für die Reparatur des unvollständigen Mosaikes im Inneren des Brunnens müssten sich Bauamt und Militärverein noch einigen, wer welche Kosten übernimmt.
  
Wenn es an das eigentliche Schmücken des Osterbrunnens geht, sind viele Menschen aus dem Dorf bereit und helfen mit. Wer selbst nicht schmücken kann, bringt Kuchen und heißen Kaffee vorbei. „Wenn es kalt ist, dann kann man sich an einer heißen Tasse gut die Finger wärmen“, sagt Judith und lacht. Denn die Hauptsache ist die fröhliche Geselligkeit der fränkischen Frauen.