Es gibt im Leben immer wieder Dinge, von denen ich bisher noch nichts wusste, von denen ich noch nie gehört habe. Vielleicht habe ich sie auch ignoriert, überlesen, nicht aufgepasst, was auch immer.
Dass es in Amerika Sklaven gab, in den Südstaaten, die aus Afrika dorthin gebracht wurden, das habe ich gewusst. 1776 wurde die Unabhängigkeitserklärung proklamiert. In den nördlichen Staaten spielte die Sklaverei zu dieser Zeit kaum eine Rolle, deswegen ließ sie sich dort leichter abschaffen, auch wenn das trotzdem langwieriger war, als es sich hier auf die Schnelle anhört. In den Südstaaten dagegen lebten zur gleichen Zeit, zu der es im Norden (fast) keine Sklaven mehr gab, mehr als vier Millionen von ihnen, arbeiteten auf den Plantagen und sorgten für den Reichtum ihrer Herren.
Weil der Nachschub von Afrika nicht reichte, wurden Schwarze in den nördlichen Staaten Amerikas gefangen und in den südlichen als Sklaven verkauft. Der Film "12 Years a Slave" basiert auf einer wahren, einer autobiografischen Geschichte. 1853 erschien das Buch, in welchem Solomon Northup sein Leben beschreibt: Als ein geachtetes Mitglied der New Yorker Gesellschaft, ein anerkannter Geigenspieler, wacht er plötzlich auf und trägt Ketten. Identität? Wird nicht anerkannt. Schließlich hat er ja keine Papiere dabei. Hier siegt das Recht des Stärkeren und wird mit der Peitsche durchgesetzt. Wie bei Kafkas Verwandlung fällt Northup aus seinem Leben, bekommt einfach einen neuen Namen zugeteilt und wird auf dem Markt verkauft.
Bei jeder Station wird es immer ein wenig schlimmer. Scheint sein Erstbesitzer noch ein wenig human, ist Master Epps die personifizierte Grausamkeit, scheint es. Wer ist hier eigentlich zivilisiert, wer hält sich an Recht und Gesetz und wer hat hier Gott auf seiner Seite?
Denn die Willkür, welcher die Sklaven ausgesetzt sind, hat System und wird im Film genau vorgeführt. Solomon scheint immer der Beobachter zu bleiben, ganz so, wie es diejenigen beschreiben, denen es scheinbar gelingt, in den Konzentrationslagern der Nationalsozialisten zu überleben. Die Beobachtung hilft Northup beim Überleben und bei der Anpassung. Obwohl: Gelegenheiten, an denen er hätte scheitern können, gab es genug. Dann verliert er seine mühsam bewahrte Fassung: Als er beispielsweise die Sklavin Patsey auspeitschen soll.
Der Film beobachtet ganz genau, wie sich die Menschen benehmen, wenn der Lack der Zivilisation ab ist, wie sie reagieren, wenn die Umstände extrem sind. Ob Sklaven, Sklavenhalter oder deren Frauen. Manche Szenen sind nur schwer auszuhalten, sie sind genau gefilmt und ihre Wirkung ist großartig.
Solomon Northup hat Glück gehabt. Er konnte zurück in den Norden, er wurde wieder ein freier Mann und konnte über seine Erlebnisse schreiben. Doch er ist eine Ausnahme. Denn bis heute gibt es Sklaven, die nie eine Chance haben, ihrer Ausbeutung und der Willkür ihrer Herren zu entfliehen. Wohin denn auch?
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen