Mittwoch, 5. September 2007

Altern: im Schnellgang

Jaja, das Alter …

Da dachte ich doch, ich käme ungeschoren davon …

Creme meine Falten sorgfältig im Spiegel, wiege besorgt meine angesammelten Pfunde, witzele gelegentlich über den Club der alten Schachteln, dem ich angehöre und dachte:

Alter? Och, wenn das so weitergeht, dann ist ja alles in Butter.

Ich meine, wer will denn wirklich noch mal siebzehn sein und all den Blödsinn von damals noch einmal verzapfen? Himmel hilf. Wie gut, dass die Zeit vorbei ist und die Jugendsünden glücklicherweise und größtenteils vergessen sind. Bis auf ein paar, aber die stehen hier nicht zur Debatte.

So ein bisschen Abgeklärtheit ist ja mit den Jahren ganz gut: Nichts kann einen mehr von den Socken hauen.

Dachte ich.

Bis neulich.

Als ich gefragt wurde, ob ich mich denn in den Pfarrgemeinderat wählen lassen würde.

Ich … äh … in … den … Pfarrgemeinde …

Mir fiel nichts mehr ein. Was jetzt? Muss ich mir beim nächsten Friseurbesuch Pudellöckchen drehen lassen? Stützstrümpfe kaufen? Ich spürte schon, wie sich oben im Gehirn der Kalk langsam löste und zu rieseln begann …

Hilfe!

Mittwoch, 29. August 2007

Bilderklau


So sieht derjenige jetzt aus, der als letzter versucht hat, von mir Bilder zu klauen. Ist das nicht ein gelungenes Portrait?

Jaelle Katz

Montag, 27. August 2007

Intermezzo

Der Schnitter ging vorbei
in diesem Jahr,
die sanften Hände
zogen weiter.
Die süßen Früchte blieben
ungepflückt
und wurden
Schneckenfraß.


Mein Alter Ego ist tot.

Jaelle hat sich lange und tapfer an ihre neun Leben gekrallt, doch irgendwann ist auch für eine Katze Schluss. Am Ende bekam sie kaum noch Luft, und zu allem Übel hab ich ihr Cortison ins Futter mischen müssen.

Und zum Sterben hat sie sich ausgerechnet ins Katzenklo gelegt ...

Jetzt liegt sie auf der Nordseite der Tanne, zwischen Tender und Molly, Hasen und Hühnern.

Vier Tage später kam Venus. Die Gastkatz wird drei Jahre bleiben, solange ihre regulären Dosenöffner in Hanoi sind. Alex pries ihre Schnurrmaschine in den höchsten Tönen: sie sei so beherrscht, sie springe nirgends hoch. Und was liegt jeden Morgen auf dem Küchentisch auf meiner Zeitung?

Alex verriet auch nicht, dass Venus als Streunerin gerne aushäusig übernachtet. Schon beim zweiten Ausgang verschwand die Stadtkatz für zwei Nächte. Panik. Wo ist die Blödkatz? Fiel sie etwa in ein Silo oder kämpfte auf verlorenem Posten gegen die Landmachos? Kaum war sie wieder da, kam der Anruf vom anderen Ende der Welt: Wie geht es Venus?



Venus:

Die Gastkatz.






Jaelle Katz

P.S. Du hattest Recht, Frau Zappadong. Es wurde Zeit, hier wieder vorbeizuschauen. Ich gab sogar den Link schon falsch weiter. Leihst du mir Mr. Lightbringer als Gedächtnis aus? So gelegentlich ... wenn ich wieder im Dunkeln tappe und mir meine eigenen Notizen nicht mehr weiter helfen?

Jaelle

Montag, 11. Juni 2007

Die Idee



Zuerst war es nur eine kleine Idee, die vorwitzig aufblitzte, als ich das erste Mal über den Weg las, den Elisabeth einst von Eisenach nach Marburg ging.
Die Idee steckte ihre Nase an die Luft, wuchs, und ließ mich zunächst im vertrauten Kreis von sich erzählen. Es gab keine Kritik, im Gegenteil.


Würde jemand mit mir kommen? Dann müsste ich nicht mutterseelenallein auf dem Weg sein. Doch niemand hatte Zeit, mich auf dem Pfad zu begleiten. Die Idee blieb hartnäckig und setzte mir den Floh ins Ohr, allein zu gehen. Elisabeth war doch auch allein unterwegs, oder?


Im Mai 1228 wurden die sterblichen Überreste von Ludwig, Elisabeths Ehemann, im Kloster Reinhardsbrunn bestattet. Wenige Wochen später brach die 21jährige auf und ging von Eisenach nach Marburg. Aber was hat sie derweil mit ihrem dritten Kind, Gertrud gemacht? Die muss ja ungefähr ein Jahr alt gewesen sein. Nahm sie es mit auf den Weg nach Marburg? Trug sie es den ganzen Weg oder musste es auf den kleinen Beinchen selber laufen?


Meine Lieben sorgten unauffällig vor und für sich: immerhin kommt unser Jaellekind mittags aus der Schule und kann noch nicht den ganzen Nachmittag allein verbringen. Doch die Woche mit dem ersten Mai als Feiertag scheint ideal. Fragen, ob ich an diesem Wochenende, an dem ich losgehen will, arbeiten kann, beantworte ich lange ausweichend.


Erst am Abend vor der Abreise verriet ich in der Redaktion: ich bin dann mal weg …
An diesem Freitag hab ich auch Brot, Käse und Äpfel gekauft. Samstagmorgen noch schnell die Wurst geholt, die letzten Texte geschrieben, den Rucksack gepackt und losgefahren. Ich war schon seit Freitag nicht mehr ganz da…


Wie werde ich den Weg finden? Werde ich Übernachtungen finden? Wie werden mir die Menschen unterwegs begegnen? Nein, ich wollte keinen Pilgerpfadführer. Ich glaube nicht, dass Elisabeth einen hatte, als sie nach Marburg aufbrach.


Wie haben die Menschen in dieser Zeit gewusst, was es noch auf der Welt gibt und wo sie es finden?


Fuhrleute, Schankwirte – wer konnte Elisabeth und anderen Reisenden Auskunft geben? Woher wusste sie, wo Marburg lag, welchen Weg sie gehen musste? Noch dazu mit ihrem Kind Gertrud.

Jaelle Katz

Donnerstag, 7. Juni 2007

Einige Kommentare


die Kirche von Spieskappel: der Pfarrer empfahl die Besichtigung, doch als ich kam, wurde sie just vor meiner Nase zugesperrt. Immerhin gehörte sie mal zu einem Kloster, welches zwar nach der Reformation aufgelöst wurde, aber die Evangelischen sind immer noch ganz stolz darauf, dass Luther hier mal übernachtete...

„Was? Ganz alleine? Als Frau? Haben Sie denn keine Angst?

Nein, habe ich nicht. In unseren Wäldern gibt es – den Jägern sei Dank – keine Wölfe und Bären. Eher müsste ich mich da schon vor den lieben Mitmenschen fürchten. Doch mir schien das Fahrtenmesser als Bewaffnung völlig ausreichend. Damit konnte ich immerhin auch noch Wurst, Käse und Brot schneiden. Aber als Waffe war es nicht nötig. Ich gehöre auch nicht zu den Frauen, für die ein Blick bereits ausgeübte Gewalt ist.

„Meechen, so kommst du aber nicht mehr weit!“,

sagte ein alter Landwirt, als er mich und meine steifen Knie sah, als ich nach meiner Siesta aufstand. Der rollende Supermarkt hielt praktischerweise direkt vor mir auf dem Platz vor der Kirche.

„Die habe ich bestimmt schon ein Jahr nicht mehr im Sortiment“,

sagte der nette rollende Supermarktverkäufer auf meine Frage, wo er denn die Müsliriegel versteckt hätte. „Meine Kundschaft ist zu alt, die kaufen nichts, was im Gebiss kleben bleibt.

„Wie? Und ihr Mann erlaubt Ihnen das?“

Häh? In welchem Jahrhundert lebt denn der Frager?

„Und? Haben Sie sich schon gefunden?“

Ups. Ich war gar nicht auf der Suche nach mir. Jedenfalls bin ich meist ganz gut beieinander – da brauche ich noch nicht nach meinen Einzelteilen zu suchen.

„Da müssen wir Männer uns auch endlich mal emanzipieren, wenn die Frauen schon alles alleine machen…“,

sagte der Landmaschinenvertreter zum oben erwähnten Landwirt. Klug erkannt. Fang mal an.

„Der Weg ist noch nicht eröffnet!“,

sagte der Spieskappeler Pfarrer und musterte mich von oben bis unten.

Ach ja? Und worauf bin ich bis jetzt gelaufen?

„Haben Sie einen Pilgerausweis?“

der gleiche Pfarrer. Nein, habe ich nicht. Brauche ich nicht. Allerdings konnte ich ihm noch nicht einmal mit meinem Personalausweis dienen. Den hatte ich vergessen. Er kopierte dann meine Bankkarte. Aber wozu?

Jaelle Katz

Montag, 4. Juni 2007

Nachdenken über das Reisen


Winterlinden wurden schon lange Zeit als Wegmarken an Handelswegen verwendet - heute sind sie nicht mehr so nötig: es gibt ja Straßenschilder.
Diese stehen auf dem Elisabethpfad vor Stadtallendorf

Wozu verreist der Mensch überhaupt? Wie es in dem Ort aussieht, an den er fährt, weiß er längst aus den Prospekten. Sollte es von dem gewünschten Ziel keinen Prospekt geben, dann ist das kein Reiseziel. Hauptsache, er konnte sich vor seiner geplanten Reise ein Bild machen. Der Wunsch, zu verreisen, entsteht erst durch eine Vorstellung von dem Reiseziel. Die Vorstellung kann auf verschiedene Weise entstehen. Entweder erzählt jemand davon, oder es gibt Bilder in Fernsehen, Büchern oder Zeitschriften. Andererseits gibt es in vielen Orten die Überlegung: „wie mache ich diesen Ort für Touristen attraktiv?“



Durch die Verkehrsmittel ist es heutzutage unkompliziert und ungefährlich, in ferne Länderzu reisen, die vor hundert Jahren kaum erreichbar waren. Konkurrenz zwischen Reiseunternehmen fördert den Massenverkauf von Reisen zu relativ niedrigen Preisen.
Doch möglicherweise kommt der Reisende zwar körperlich in dem betreffenden Land an, aber psychisch nicht. Der Pauschaltourist erwartet, an seinem Urlaubsort einen gewohnten Standard, eine erwartete Umgebung vorzufinden.



Das moderne Reisen, das um seiner selbst willen und zum Vergnügen unternommen wird, gibt es noch nicht lange. Früher verreiste man oft nur aus Not oder religiöser bzw. wirtschaftlicher Ziele wegen. Erst im 17. und 18. Jahrhundert begann das Vergnügen der Reisen. Jeder, der genug Geld hatte und gebildet war, machte sich in den Süden auf. Italien mit seinen antiken Stätten gesehen zu haben, war das Reifezeugnis für junge Männer (und wenige Frauen). Die dabei erworbenen Kenntnisse konnten an keiner Universität vermittelt werden. Die praktischen Schwierigkeiten dieser Reisen waren noch erheblich, besonders weil die Alpen überquert werden mussten.



Der Massentourismus breitete sich zuerst in Richtung der Gastarbeiterländer aus. Dort ist es meistens wärmer und sonniger als in Deutschland. Später entdeckte die Tourismusindustrie, dass es außer den „normalen Pauschaltouristen“ auch „Abenteurer- und Entdeckertypen“ gibt und begann, Reisen unter anderen Vorzeichen zu verkaufen.
die Wirklichkeit wird auch dort simuliert: die Erwartungen der Touristen müssen ja erfüllt werden. Manchmal gibt es trotz aller Vorsichtsmaßnahmen im Urlaub Konfrontationen mit der Realität: dann laufen die Kakerlaken durchs Zimmer. Aber für diese Störungen kann glücklicherweise der Reiseveranstalter verantwortlich gemacht werden.



Reisen wird risikoreicher. Entführungen, Bombenanschläge, Bürgerkriege, die sich nicht nur gegen Einheimische, sondern auch gegen Touristen richten. Doch es hat den Anschein, als würde dieser Einbruch der Realität in das Bild vom Urlaubsland nur kurz anhalten. Zwar führen Bombenanschläge kurzfristig zu Reisestornierungen, doch nach spätestens ein paar Monaten ist der Schrecken vergessen. Dann buchen die Urlauber wieder, zumal die betroffenen Länder nach den imageschädigenden Ereignissen mit den Preisen heruntergehen.



Bilder - gerade von Reiseprospekten- sind Hochglanzfarbphotos. Und da ein Apparat diese Photos „gemacht“ hat, muß es dort so aussehen, denn die Kamera kann nur die Wirklichkeit abbilden und nichts anderes.
Und wieso haben Bilder diese Macht? Aber das ist eine andere Frage …

Jaelle Katz

Sonntag, 3. Juni 2007

Der Geruch


Der Duft einer Kläranlage, im Hintergrund ist noch die Wartburg bei Eisenach zu sehen


Wer sich selbst nicht riechen kann, sollte diesen Pilgerpfad nicht gehen.

Denn nicht überall gibt es eine Pension oder Hotel zum Übernachten. Manchmal ist die fußlahme Pilgerin - in diesem Fall ich - am Abend einfach nur froh, wenn sie ein Eckchen angeboten bekam, in dem sie ihre Matte und den Schlafsack ausrollen konnte. Wie zum Beispiel auf einem Spielteppich im kirchlichen Gemeindehaus oder in einem Jugendraum im Pfarrhauskeller.

Waschen geht da auch: mit Waschläppchen und Seife am kalten Wasserhahn im Vorraum der Damentoilette. Wie gut, dass ich an beides nicht nur gedacht, sondern auch eingepackt hatte ...

Aber selbst wenn ich abends eine luxuriöse warme Dusche genießen konnte, am nächsten Morgen war alles perdu. Spätestens nach einer halben Stunde konnte ich - ich schrieb es schon - den Fleecepullover ausziehen und mir war nicht nur warm, sondern ich schwitzte.

Allerdings wurde meine Nase empfindlicher. Nicht für den körpereigenen Geruch, an den hatte ich mich schnell gewöhnt. Aber für den Duft der Blumen, des Rapses, des Waldbodens und der anderen Menschen. Am dritten Tag der Pilgertour kam mir eine Gruppe junger Menschen entgegen und passierten mich grüßend. Die Mischung der verschiedenen Parfüms und Haarsprays hatte ich noch lange in der Nase.

Ein blühendes Rapsfeld, kurz vor Creuzburg

Bei einer solch duften Ankündigung kann das Wild im Wald rechtzeitig Reißaus nehmen. Zumal die Jungs und Mädels sich auch die Ohren mit Musik verstopft hatten und das Ganze überbrüllend miteinander schwätzten.

Ich saß am zweiten Tag kurz vor der ehemaligen innerdeutschen Grenze auf einer Bank und vesperte, als gemütlich ein Hase auf dem Weg an mir vorbeilief. Der hat mich wohl weder gerochen, noch gehört oder gesehen:



Jaelle Katz