Sonntag ist normalerweise Kirchgehtag. Weil ich in der Türkei war, ging es aber nicht in eine Kirche, sondern in eine Moschee zu Besuch und zum Angucken.
Die Moschee in Manavgat wurde in einem historisierenden Stil neu gebaut, so vor zehn Jahren, übersetzte Reiseleiter Ertan die Tafel, welche neben dem Eingang hängt. Weil in der Türkei seit Atatürks Zeiten Staat und Kirche streng getrennt sind, treibt der türkische Staat auch keine Kirchen- resp. Moscheesteuer bei den Gläubigen ein. Trotzdem kontrolliert der Staat die Religion, das ist in Frankreich, dem zweiten laizistischen Staat auf dieser Erde, anders. Frankreich mischt sich in Kirchendinge überhaupt nicht ein. Soll also in der Türkei eine Moschee gebaut werden, dann müssen das die Menschen, welche das wollen, selber von ihrem Geld bezahlen, dafür sammeln und spenden, beten soll auch helfen.
Die Häuser rund um die Moschee herum sahen zwar nicht schön, aber ziemlich neu aus. Wo haben die Menschen, die darin leben, eigentlich vorher gewohnt? Sind die alle aus den Dörfern in die Städte gezogen? (Genaueres erzählte Ertan später, dazu komme ich also noch). Außerdem war Wahlkampf: Deswegen hingen überall Fahnen und Plakate herum, auf denen die Politiker, welche gewählt werden wollen, irgendetwas wichtiges behaupten, wie sehr sie Manavgat lieben, beispielsweise.
Die Reihenfolge der Ausflüge auf dieser Reise hing ein bisschen vom Wetter ab - und das war gerade nicht so ganz schön. Denn in der Türkei war jetzt, genau wie in Deutschland, gerade Winter. Deswegen fing die Rundreise einfach mit dem Tag zur freien Verfügung an. Damit sich aber trotzdem niemand langweilte, gab es nach dem Besuch in der Moschee noch eine Bootsfahrt auf dem Fluss Manavgat, von der Stadt Manavgat bis fast zur Mündung dieses einzig schiffbaren türkischen Flusses im Mittelmeer.
Angler saßen am Ufer und bewachten ihre Angeln. Ob sie damit auch Fische fingen, konnte ich leider nicht beobachten. Vielleicht war es aber auch nur eine Ausrede, damit sie einen Grund hatten, aus dem Haus zu entschwinden, in dem möglicherweise die Frau nervte und die Kinder brüllten. Keine Ahnung.
Knatternde Pumpen spuckten Wasser auf die Felder neben dem Fluss.
Im Dunst ragten die Berge des Taurus steil empor und versperrten den Horizont: Hier kommt keiner durch.
Gemächlich und träge glitt das Schiff durchs Wasser, der Motor vibrierte, melancholische Akkordeonmusik tönte aus dem Lautsprecher. Mit schleichender Langsamkeit ging es vorwärts, so blieb viel Zeit zum Gucken. Kurz vor der Mündung ins Meer war noch eine lange Landzunge, auf der Händler leichte Zelte aufgebaut hatten. Früher standen dort Sommerhäuser auf Holzpfählen, weil es so schön windig und frisch war, mit einer grandiosen Aussicht aufs Meer, erzählte Ertan, doch die mussten aus Naturschutzgründen abgerissen werden, weil dort Karettschildkröten ihre Eier in den Sand legen.
Das Ausflugsschiff legte dort an, wo die Händler warteten und schon die Badetücher, Stoffe und Blusen erwartungsfroh im Wind flattern ließen. Denn der gewöhnliche Tourist braucht ja eine Gelegenheit, wo er seine Souvenire und Schnäppchen erbeuten kann. Ich ging lieber über den Sand auf der Landzunge entlang und bestaunte das Strandgut: Ein rosafarbener Plastikkinderschuh, eine Klobrille und unendlich viele Plastikflaschen. Es war zwar nicht sehr warm, aber sonnig: Ein Mitreisender posierte mit nacktem Oberkörper für das Beweisfoto, welches seine Frau schießen wollte. Er duckte sich hinter einer wirklich sehr kleinen Düne, hatte das Meer im Hintergrund, so dass für seine Frau, die auf der anderen Seite der Düne den Fotoapparat so tief wie möglich hielt, vermutlich nur der Oberkörper zu sehen war. Sie gab ihm mit Handzeichen und Zurufen genaueste Anweisungen, wie er posieren sollte: "Noch ein bisschen rechts - die Hand höher - guck doch endlich mal freundlich zu mir!"
Diejenigen, die etwas ergattert hatten, führten auf dem Schiff alles stolz den anderen Mitreisenden vor: Ein Einkauf ohne Publikum ist schließlich nur halb so schön. Es gab Essen, und plötzlich reichten die Plätze auf der Sonnenterrasse des Schiffes nicht aus. Oha. Da hatten sich wohl welche völlig unbedarft von unten nach oben gesetzt: "Ich dachte, da setzt sich jeder wieder auf seinen Platz", murrte denn auch eine Frau vor sich hin. Ich wäre ja auch gerne noch ein Stück nach rechts gerutscht, damit meine Sitznachbarin sich zum Essen auch hinter einen der festgeschraubten Tische setzen konnte. Leider war neben mir die Bank zu Ende.
Auf der Rückfahrt schwätzten die Mitreisenden so laut, dass alle anderen mithören mussten, erinnerten sich an längst vergangene Urlaube und besprachen ausgiebig, wer wann wo vor zwanzig Jahren war und wie es damals dort zuging.
Ein Hotelklotz kam in Sicht: "Wenn de da hinkommst, biste erschossen!"
"Früher aufstehen als beim Arbeiten - das ist kein Urlaub, das ist Streß!"
Viel Gelächter, auch dann, wenn ich keinen Witz erkennen konnte.
"Eine Tasche solls noch werden, aus Leder, weil Teppich ist zu kompliziert, diesen nach Hause zu verschicken."
Zurück im Hotel war ich müde vom Nichtstun.
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