Samstag, 5. Oktober 2013

Fränkischer Federweisser - eine Suche

mit Rainer Maria Rilke:
Herr, es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.
Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren,
und auf den Fluren lass die Winde los.

Befiehl den letzten Früchten, voll zu sein;
gib ihnen noch zwei südlichere Tage,
dränge sie zur Vollendung hin, und jage
die letzte Süße in den schweren Wein.

Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.
Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben
und wird in den Alleen hin und her
unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.

Nein, Herr. Es war doch noch nicht die richtige Zeit. In diesem Jahr dauert es zwei Wochen länger als sonst, bis es endlich den Federweißer gibt. Dabei hatte sich für die Weintour am sonnigen Wochenende sogar der Mittelstreifen der Autobahn mit gelb blühendem Senf geschmückt. Der Blick reichte weit über satt-grüne Wiesen, kein Lärmschutzwall engte den Blick tunnelgleich nach vorne.
Hinter Geiselwind rechts von der Autobahn herunter, kleine Dörfer säumen blumig die kleine Straße, welche zwar Steigerwald-Höhenstraße heißt, doch außerhalb der Ortschaften kaum Aussicht bietet, ist sie doch von hohen Buchenwäldern rechts und links gesäumt. Erst beim Herabfahren grüßt eine Figur vom Turm: War das einst ein Abt im Kloster, der von hoch oben immer noch achtsam über seinen Mönchen wacht? Beim Vorbeifahren verrät ein Schild am Turm: Dies sei der Wächterturm, der auch Marienturm genannt werde. Also steht kein Abt oben auf der Turmspitze, sondern eine Maria.


Kloster Ebrach ist schon seit mehr als 200 Jahren kein Kloster der Zisterzienser mehr, sondern eine Strafanstalt: Justizvollzugsanstalt genannt, in diesem Fall für Jugendliche. Die Kirche ist allerdings noch Kirche. Zwar war sie groß, doch eher schlicht – Zisterzienser bauten eigentlich eher unprätentiös und legten Wert auf Einfachheit: Ursprünglich gab es weder kostbare Gemälde, noch wertvolle Kelche und auch keinen Bauschmuck. Das hieß jedoch nicht, dass die Kirche klein war: Sie beeindruckt eher mit ihrer monumentalen Größe. Die Wirkung dürfte früher, als die Straße noch nicht geteert und damit tiefer lag, noch größer gewesen sein.


Innendrin ist die Kirche beeindruckend gelb bemalt, geschmückt mit viel Stuck und überhaupt recht viel möbliert, mit Grabmälern, kleinen Nischen und Altären und was eben so in eine richtige barock gestaltete Kirche gehört. Von der Einfachheit der Zisterzienser blieb da nichts mehr übrig. Ab 1200 wurde die Kirche gebaut und um 1725 wurde sie barockisiert und mit dem Stuck geschmückt.

Weiter ging es, nach einem Kaffee im Cafe.
Unten am Main wächst der Wein, hangwärts zumeist. Doch es braucht noch mehr als zwei südliche Tage nach dem kalten Frühjahr, welches so lange auf sich warten ließ. Alle Früchte hängen noch an den Stöcken. Die Öchslegrade reichen nicht, erklärt der Winzer, für die Lese. Erst dann wird es den frischen Federweißer geben – und das auch nur zwei Wochen lang. Fertigen Wein hingegen gab es bereits, aus dem Jahr davor. Der wartet jetzt im Keller darauf, dass er noch ein wenig runder wird.

Oberhalb von Zeil am Main grüßte ein Kirchlein, welches von unten her imposanter aussah, als es dann schlussendlich war. Aber das machte nichts, der Blick ins Tal hinab war weit und reichte bis zum Atomkraftwerk Grafenrheinfeld.


 

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