Sonntag, 20. Juli 2014

Reise nach Kappadokien - 13: Bleib auf dem Teppich

Hier ist nichts. Nur kappadokische Steppe.
Als alle Teppiche ausgerollt auf dem Boden lagen, war eine ganze Stunde Zeit im türkischen Niemandsland, bis der Bus endlich weiter fahren würde. Es gab keine Gelegenheit, mal eben zu entfliehen. »Wo kommen Sie her?«, fragten die Teppichverkäufer, die in Stuttgart, Mannheim oder Salzgitter aufgewachsen waren und deswegen fast akzentfrei deutsch sprachen. Von diesen wuselten plötzlich so viele in dem großen Raum, dass wirklich keiner aus der Gruppe unbeachtet blieb. 


Ein Schwabe zeigte auf einen kleinen Teppich, in dem das Bild von einem Zebra eingewebt war: »Wozu brauch` mer das?« 
»Für die Töpf«, entgegnete seine Frau und lacht dabei. 
Der niedrige Reisepreis für Kappadokien funktioniert nur, weil derartige Verkaufsveranstaltungen Teil der Reise sind. Wie bei einer Butterfahrt sitzen alle Reiseteilnehmer irgendwo im Nirgendwo und können nicht ausreißen. Die Verkäufer sprechen perfekt Deutsch. Klar, sie wuchsen ja in Deutschland auf. Aber wenn ich mir hier die Pampa so angucke, dann scheint mir selbst ein soziales Brennpunktviertel in Salzgitter wesentlich attraktiver zu sein, als diese anatolische Steppe. 

Die Teppichfabrik. Vielmehr: Hier ist der Verkauf.
Erwischt. Das ist eines meiner gepflegten Vorurteile. Was weiß ich denn, was diese jungen Türken als ihr Glück bezeichnen? Fragen geht nicht, ich will schließlich keinen Teppich kaufen. Selbst wenn ich fragen würde, könnte ich ihnen denn glauben? Oder würde ich nicht eher sagen: Die dürfen jetzt nicht anders antworten, aber wenn sie ganz alleine und ehrlich mit mir reden könnten, dann können sie doch gar nicht anders, als meine Vorurteile zu bestätigen.
Pustekuchen. Es sind meine Vorurteile, und nichts weiß ich. Ich weiß einfach gar nicht, wie es wäre, hier zu leben, wenn ich vorher meinetwegen in einem Mannheimer Hochhaus gewohnt hätte, in eine Schule gegangen wäre, und gewusst hätte, dass mich eigentlich niemand braucht, dass ich als Ausländer nicht willkommen, sondern eher lästig bin. Dass ich Förderstunden bräuchte, um Dinge zu lernen, die mit meiner Lebenswelt überhaupt nichts zu tun haben, in denen moralische Werte gelten, die einfach anders sind. 

Nein, ich kann weder vergleichen, noch beurteilen.
Alles andere wäre einfach nur westlich und arrogant. 
In der Wohnung ist schönes Parkett, wimmelte ich einfach alle Verkäufer ab, die mir einen Teppich aufschwätzen wollten. Ich schlenderte ein wenig durch die verwinkelten Gänge, in denen überall Teppiche hingen. 
Eine Frau fragt nach, warum eigentlich Männer keine Teppiche knüpften, sondern nur Frauen. Das hätte weniger mit der Kunstfertigkeit, als mit dem hiesigen Rollenverständnis zu tun, bekommt sie zur Antwort. Ein Mann, der Teppiche knüpft, wird nicht so ernst genommen. 
Dabei will Cankut Yilmaz, dem die Teppichfabrik gehört und der selbst in Mannheim studiert hat, wie er sagt, Vorurteile beseitigen. 
Von der Teppichwissenschaft, die sich studieren lässt, schreibe ich auch noch. Demnächst. 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen