Dienstag, 23. September 2014

Im Moment

habe ich nur wenig Zeit. Deswegen ist es hier noch ruhiger, als sonst. Im Moment lese und übertrage ich die Briefe, die mein Opa vor gut siebzig Jahren an meine Oma geschrieben hat, als er Soldat und in Russland war. Nicht freiwillig. Hier sind die Briefe zu lesen, so, wie ich sie aus dem Sütterlin in Deutsch übertrage:

http://www.jaellekatz.de/

Sonntag, 31. August 2014

Reise nach Kappadokien - 15: Das Studium der Teppichwissenschaft

Es war jeden Sommer das gleiche Drama: Irgendwann fing der Teppich an zu leben. Wer mit nackten Füßen und bloßen Beinen auf den Teppich kam, hatte schnell schwarze Punkte an den Beinen. Die Flöhe, die von den Katzen ins Haus getragen worden waren, wollten Blut. Nur die Katzen waren fern und trieben sich lieber draußen herum. Also nahmen die Flöhe, was sie kriegen konnten.
Das ist ein Grund, warum ich so froh darüber bin, dass in der jetzigen Wohnung Parkett liegt.

So wird die Knotendichte vom Teppich berechnet
Cankut Yilmaz, Besitzer der Teppichfabrik, hält einen Seidenkokon in der Hand und lässt diesen an seinem Faden ein Stückchen herunter. Der Faden ist nicht zu sehen. Würde dieser anderthalb Kilometern lang sein, wäre er gerade ein einziges Gramm schwer. Von solchen Fädchen passen immerhin 400 Knoten auf einen Quadratzentimeter Seidenteppich. Das ist ein Zentimeter mal ein Zentimeter.
(Ich würde für die 400 Knoten eine Ewigkeit brauchen, wenn ich das knüpfen müsste)


Wir sollen uns das Nomadenleben vorstellen.
Die Knüpferinnen sitzen gebeugt über ihren Teppichen und die Kettfäden sirren leise, wenn die Frauen jeweils einen hinteren und einen vorderen mit dem bunten Faden verknüpfen, diesen dann mit dem Messer in der rechten Hand abschneiden. Mit einer großen Schere wird ab und an der Flor so weit gekürzt, dass nur drei Millimeter übrig bleiben. 

"Meine Künstlerinnen", nennt Yilmaz sie, "mein Rembrandt und mein Van Gogh" und zählt auf, was sie von ihm bekommen, wenn sie einen Teppich fertig stellen. Inzwischen sei das Knüpfen von Teppichen in der Türkei ein Ausbildungsberuf, erzählt er. Wenn gerade hier, im Hinterland, dort, wo sonst nichts ist, die Frauen eine Ausbildung bekämen, dann heirateten sie nicht ganz so jung und bekämen auch erst später ihre Kinder. Bildung habe hier mehr Wert, als Reichtum: Wo sich die Wirtschaft entwickeln könne und die Menschen Berufe erlernen, mit denen sie ihr Geld verdienen können, dort gäbe es keinen Terrorismus, vermutet Yilmaz. 

Er holt ein altes Buch aus einem Koffer, zieht sich vorher weiße Handschuhe an: "Der Koran der Teppichkunde!", blättert in dem Buch, das vor fast 100 Jahren gedruckt wurde und schwärmt vom Kaiser Wilhelm II. Der ist zwar schon eine Weile tot, bekam aber von seinem Kumpel Mehmet II. alte Teppiche, die sich seitdem im Bodemuseum in Berlin befinden. 

Ein Korb mit Wolle. Vom Schaf.
Sechs junge Männer kommen, stellen sich in einer Reihe auf und werden von Yilmaz vorgestellt, ihre Frauen, Mütter und Schwestern seien alles Knüpferinnen, die zum Einkommen in der Familie beitragen. Er will Dinge richtig stellen, die von den Medien falsch berichtet würden, sagt er und erklärt weiter, dass das, was uns aufdringlich erscheine, wenn wir in türkischen Läden einkaufen wollten, einfach nur ein kultureller Unterschied sei: Sie - die Türken - seien nicht aufdringlich, sie seien nur fleißig und wollten bedienen. 

Mir jedoch ist das blanke Parkett lieber, als so ein Flohbunker, ob echt von Hand oder mit der Maschine geknüpft. Deswegen schaue ich mich zwar ein wenig um, bewundere die Teppiche, die überall an den Wänden hängen und setze mich auf einen Tee und warte, dass der Reisebus uns wieder abholt. 




Sonntag, 24. August 2014

Reise nach Kappadokien 14 - Die Drei Schönen

Längst waren alle Saurier auf der Erde gestorben und bis auf die Knochen abgenagt, die später von den Menschen wieder aus der Erde gebuddelt werden sollten. Säbelzahntiger jagten hinter Rüsseltieren her, katzengroße Pferdchen grasten auf weiten Wiesen. Wenn es je ein Paradies gab, dann war es vielleicht hier zu finden, es gab weder Kriege noch Umweltverschmutzungen, weil noch kein Mensch die Welt bevölkerte. Doch schon damals lag neben dem Paradies die Hölle nebenan: Hier waren es die drei Vulkane Erciyes Dağı, Hasan Dağı und Melendiz Dağı, wie sie später genannt wurden. 

der erloschene Vulkan ist heute von Schnee bedeckt
Ob sich die Vulkanausbrüche mit Rauchzeichen oder kleineren Erdbeben ankündigten, so dass die Tiere fliehen konnten? Es waren heiße Zeiten: Regelmäßig spuckten die drei Vulkane unvorstellbare Mengen an Lava und Asche über Kappadokien. War die heiße Asche kühl, wuchsen rasch wieder neue Wiesen, auf denen Tiere grasten, die nichts von der heißen Hölle ahnten. 




Immer wieder spuckten die Vulkane Magma, ließen Asche und Lava über die Landschaft regnen. Aus dem heißen Ascheregen bildete sich Tuff, der immer dann entsteht, wenn das flüssige Magma nicht als glühender Strom aus dem Vulkan fließt, sondern mit hoher Wucht aus dem Krater geschleudert wird. Dabei zerstäubt alles zu staubfeinen bis faustgroßen Brocken, die als glühender Regen auf die Erde fallen. Viele Meter hoch legte sich die Vulkanasche über das Land. In den Tälern, die tief in das märchenhafte Land eingeschnitten sind, lässt sich ahnen, wie hoch einst die Erde von heißer Asche bedeckt war. 

Eine märchenhafte Landschaft aus Vulkanasche
Manchmal schleuderten die Vulkane auch größere Brocken, die sich überall verteilten: Heute bilden diese die kleinen Mützchen auf den einzelnen Stelen. Im Hintergrund des Panoramas ragt der Erciyes Dağı achtungsvoll mit einer kalten Schneehaube empor, wie ein weiser Alter. An seine stürmische Jugendzeit erinnern dagegen die drei Schönen, die im Vordergrund stehen: 




Die Drei Schönen
Drei hohe Säulen aus Tuffstein sind mit einem Deckstein bedeckt. Sie wirken wie grob geschnitzte Figuren aus einem Riesentheater, stumme Zeugen einer heißen Vergangenheit, die in Jahrmillionen von Wind, Regen, Hitze, Kälte oder Sturm aus dem Stein geschaffen wurden. Dank der Kappe, die aus einem härteren Material besteht, wurden sie vor der Erosion geschützt. 

Immer noch wirken Wind und Wasser an den Steinen, schmirgeln Körnchen für Körnchen heraus, lassen alte Feenkamine einstürzen und legen an anderen Stellen neue frei. Manche sind über siebzig Meter hoch, und damit höher, als ein Riesenrad. Andere sind etwas kleiner. Manche sind spargeldünn, andere zwanzig Meter stark. Schroffe Falten liegen neben spitzen Felsnadeln. In manche dieser Schluchten kann man ein Stück weit hineingehen, bevor die Felswände so dicht aufeinanderrücken, dass kein Durchkommen mehr möglich ist. 
Das letzte Mal brach der Hasan Dagi übrigens vor rund 9000 Jahren aus. Das ist fast wie vorgestern, so erdgeschichtlich gesehen. 




Sonntag, 3. August 2014

Reise nach Kappadokien: Eine kulinarische Reminiszenz

In einem guten Urlaub spielt gutes Essen eine wesentliche Rolle: Endlich brauche ich nicht selbst zu kochen und kann aus einer riesigen Menge an gebotenen Leckerbissen am Büffet wählen. So reichhaltig ist der Kühl- und Vorratsschrank zu Hause nicht bestückt, schon allein, weil wir selbst zu dritt nicht so viel futtern könnten, auf dass nichts weggeworfen werden muss. 
Die Qualität der Büffets in den einzelnen Hotels war auf dieser Reise durchaus unterschiedlich. In dem ersten Hotel, welches in einer Anlage in Alanya war, war es ziemlich reichhaltig und ganz gut, aber eher noch naja. Das zweite Hotelbüffet, in Kappadokien, war zwar nicht ganz so reichhaltig, dafür aber superlecker und das dritte in Antalya war so miserabel, dass selbst der angebotene Pudding schon mit dicken Falten auf der Haut zeigte, dass ihn keiner wollte. 
Zu Hause angekommen, ist es immer wieder nett, Gerichte nachzukochen, die ich in der Erinnerung habe. Es gibt zwar Kochbücher und Rezeptsammlungen im Internet, die nehme ich immer gerne als Anregung, um die darin enthaltenen Gerichte so abzuwandeln, dass es wieder so schmeckt, wie in meiner Erinnerung. 
Seit im Gewächshaus die Gurken himmelhoch wachsen und so viele Früchte liefern, dass wir uns damit auf den Markt stellen könnten, ist Abwechslung beim Gurkensalat Pflicht. Einen Gurkensalat in Joghurtsauce gab es in einem Hotel. Also nehme ich:

Gurkensalat in Jogurtsauce

- zwei Gurken
- 1/2 Liter Jogurt
- 1 Eßlöffel Olivenöl
- Knoblauchzehen: Hier kann jeder selbst ausprobieren, wie scharf er es mag. 
- Dill und Minze







Weil die Gurken ungespritzt sind, schneide ich nur ganz dünn die Schale dort weg, wo sie etwas dicker und knubbeliger ist, teile sie längs in vier Viertel und würfele sie. Unsere Gurken sind ziemlich fest, und enthalten relativ wenig Wasser, deswegen spare ich mir einen Arbeitsgang. Wer jedoch gekaufte Gurken nimmt, sollte die Stücken salzen und ein wenig abtropfen lassen. Sonst wird der Salat ziemlich wässerig. Knoblauchzehen schälen und zerdrücken, Gurkenstücke und Jogurt und die Gewürze mischen, fertig. Hinterher hab ich noch groben gemahlenen Pfeffer über die einzelnen Portionen gestreut, das wars. 

Dazu gab es gekauftes Fladenbrot und 

Türkische Frikadellen

- 300 g Weizengrieß
- 1 Zwiebel
- 3 Knoblauchzehen
- Gemüsebrühe
- Paprikamark
- Paprikapulver
- 500 g Rinderhackfleisch
- glatte Petersilie





Den Weizengrieß in Gemüsebrühe kochen, so dass er mittelmäßig fest wird, wie Brei (nicht ganz so fest, dass sich die Nocken für Suppe ausstechen lassen). Grieß, Zwiebeln, Knoblauch, Paprikamark und Paprikapulver miteinander in einer Schüssel vermengen, das Hackfleisch dazu und alles zu einem Teig kneten. (Bisher kannte ich Rinderhackfleisch nur als eine krümelige Masse, die sich nur widerwillig formen ließ und gerne immer auseinanderbröselte. Mit dem Grieß dazwischen hielt alles besser zusammen, als mit der Ei-und-Semmelbröselvariante). Petersilie hacken und untermengen, den Teig zu Fleischbällchen formen und braten. 

Alles hat sehr gut geschmeckt - und am liebsten würde ich gleich wieder los. 


Sonntag, 20. Juli 2014

Reise nach Kappadokien - 13: Bleib auf dem Teppich

Hier ist nichts. Nur kappadokische Steppe.
Als alle Teppiche ausgerollt auf dem Boden lagen, war eine ganze Stunde Zeit im türkischen Niemandsland, bis der Bus endlich weiter fahren würde. Es gab keine Gelegenheit, mal eben zu entfliehen. »Wo kommen Sie her?«, fragten die Teppichverkäufer, die in Stuttgart, Mannheim oder Salzgitter aufgewachsen waren und deswegen fast akzentfrei deutsch sprachen. Von diesen wuselten plötzlich so viele in dem großen Raum, dass wirklich keiner aus der Gruppe unbeachtet blieb. 


Ein Schwabe zeigte auf einen kleinen Teppich, in dem das Bild von einem Zebra eingewebt war: »Wozu brauch` mer das?« 
»Für die Töpf«, entgegnete seine Frau und lacht dabei. 
Der niedrige Reisepreis für Kappadokien funktioniert nur, weil derartige Verkaufsveranstaltungen Teil der Reise sind. Wie bei einer Butterfahrt sitzen alle Reiseteilnehmer irgendwo im Nirgendwo und können nicht ausreißen. Die Verkäufer sprechen perfekt Deutsch. Klar, sie wuchsen ja in Deutschland auf. Aber wenn ich mir hier die Pampa so angucke, dann scheint mir selbst ein soziales Brennpunktviertel in Salzgitter wesentlich attraktiver zu sein, als diese anatolische Steppe. 

Die Teppichfabrik. Vielmehr: Hier ist der Verkauf.
Erwischt. Das ist eines meiner gepflegten Vorurteile. Was weiß ich denn, was diese jungen Türken als ihr Glück bezeichnen? Fragen geht nicht, ich will schließlich keinen Teppich kaufen. Selbst wenn ich fragen würde, könnte ich ihnen denn glauben? Oder würde ich nicht eher sagen: Die dürfen jetzt nicht anders antworten, aber wenn sie ganz alleine und ehrlich mit mir reden könnten, dann können sie doch gar nicht anders, als meine Vorurteile zu bestätigen.
Pustekuchen. Es sind meine Vorurteile, und nichts weiß ich. Ich weiß einfach gar nicht, wie es wäre, hier zu leben, wenn ich vorher meinetwegen in einem Mannheimer Hochhaus gewohnt hätte, in eine Schule gegangen wäre, und gewusst hätte, dass mich eigentlich niemand braucht, dass ich als Ausländer nicht willkommen, sondern eher lästig bin. Dass ich Förderstunden bräuchte, um Dinge zu lernen, die mit meiner Lebenswelt überhaupt nichts zu tun haben, in denen moralische Werte gelten, die einfach anders sind. 

Nein, ich kann weder vergleichen, noch beurteilen.
Alles andere wäre einfach nur westlich und arrogant. 
In der Wohnung ist schönes Parkett, wimmelte ich einfach alle Verkäufer ab, die mir einen Teppich aufschwätzen wollten. Ich schlenderte ein wenig durch die verwinkelten Gänge, in denen überall Teppiche hingen. 
Eine Frau fragt nach, warum eigentlich Männer keine Teppiche knüpften, sondern nur Frauen. Das hätte weniger mit der Kunstfertigkeit, als mit dem hiesigen Rollenverständnis zu tun, bekommt sie zur Antwort. Ein Mann, der Teppiche knüpft, wird nicht so ernst genommen. 
Dabei will Cankut Yilmaz, dem die Teppichfabrik gehört und der selbst in Mannheim studiert hat, wie er sagt, Vorurteile beseitigen. 
Von der Teppichwissenschaft, die sich studieren lässt, schreibe ich auch noch. Demnächst. 

Sonntag, 13. Juli 2014

Reise nach Kappadokien 12: Ein bunter Abend

Die Tänzerin bei Licht besehen
Was macht ein türkischer Mann, wenn eine Bauchtänzerin so lange vor ihm tanzt, bis er endlich Trinkgeld gibt? Sollte er alleine oder in Gesellschaft anderer Männer unterwegs sein, dann genießt er. Und schaut. Und wartet. Er faltet einen Geldschein, klemmt ihn zwischen seinen Zeige- und Mittelfinger und wartet so lange ab, bis die Tänzerin nahe genug an ihn herangekommen ist: Dann lupft er nur ein ganz kleines bisschen mit dem Ringfinger den BH-Träger der Tänzerin. Nur ein bisschen und damit meine ich: Ein BH-Träger ist schließlich keine Bogensehne! Er lupft ihn also nur so weit, dass er den gefalteten Geldschein darunter schieben kann. Schon kleine Jungen lernen das von ihren großen Brüdern oder ihren Vätern, wenn sie mit ihnen unterwegs sind. Wird der türkische Mann dagegen von seiner Frau begleitet, dann blinzelt er der Bauchtänzerin höchstens so vorsichtig zu, dass die Frau nichts davon mitbekommt. Offen hinschauen und genießen? Wenn er keinen ausgewachsenen Ehekrach haben möchte, dann lässt er das, schaut nach unten, zur Seite, zu seiner Frau, irgendwohin, aber niemals, wirklich mit keinem Blick, zur Bauchtänzerin.

Die gleiche Tänzerin bei Dunkelheit
Da ich ebenso wenig, wie die anderen Mitreisenden weder mit türkischen Männern aufgewachsen bin, noch mit ihnen jemals unterwegs war, damit ich lernen konnte, wie man sich richtig benimmt, gab es eine kurze türkische Sittenkunde durch den Reiseleiter. Volkstänze wurden gezeigt, wie sie traditionell in den türkischen Dörfern bei Hochzeiten und anderen Feiern, an Feiertagen, zur Verabschiedung der Rekruten, zu Siegesfeiern, kurz: Immer, wenn es eine passende feierliche Gelegenheit gab, aufgeführt wurden und werden. Auch bei uns gibt es Folklore-, also Volkstänze, wie beispielsweise den bayerischen Schuhplattler oder beispielsweise den Walzer. 

An diesem Abend wurde ein erst langsamer Tanz aufgeführt, der den Ablauf eines türkischen Polterabends widerspiegelte: Der Bräutigam wurde eingeseift und rasiert, die Hände der Braut mit Henna gefärbt. Später tanzten auch andere Gäste im Reigen mit. Immerhin standen genügend Flaschen mit Raki und Rotwein auf den Tischen, alles im Preis inbegriffen. Sicherheitshalber blieb ich lieber sitzen. Besser ist das. Meine letzte Tanzstunde ist gefühlt mindestens schon hundert Jahre her. Und bei den anderen sah das auch nicht so taktsicher aus, wie bei den Türken. Das musste ich einfach völlig neidfrei feststellen. Die Türken tanzten wirklich besser. 

Bauchtanz
Die Bauchtänzerin, die zum Schluss auftrat, ebenso. Am Nachbartisch saß ein türkisches Paar, feierte den Hochzeitstag, wie sie erzählten. Die Bauchtänzerin kam, der Mann betrachtete völlig konzentriert seine Fingernägel. Sie tanzte, schüttelte mit ihren Klimperketten, es fehlte nicht viel, und der Mann hätte in seiner Nase gepopelt, nur um zu zeigen, dass ihn der Tanz nicht interessiert. Die Frau dagegen war super aufmerksam: Sie schaute genau, wohin der Mann sah, bis dieser endlich einen Geldschein aus der Tasche fingerte, diesen faltete, zwischen Zeige- und Mittelfinger klemmte und mit dem Ringfinger den Träger des BHs lupfte, nur ein ganz kleines bisschen, bis er gerade so den Schein unter den Träger schieben konnte. 

Obs zwischen den beiden noch Krach gab? Keine Ahnung. Solange wir als Publikum daneben saßen und interessiert guckten, waren sie ganz lieb und freundlich. 







Sonntag, 6. Juli 2014

Reise nach Kappadokien - 11: Das Tal der Steinernen Soldaten

Es heißt, dass ein guter Bildhauer weiß, welche Figur sich in dem Stein verbirgt, den er noch als großen, groben Klotz vor sich stehen hat. In seiner Arbeit mit Hammer, Meißel und Schlageisen zeigt der Bildhauer seine Schlagfertigkeit, wenn Splitter für Splitter die Blöcke so raffiniert behauen werden, dass die daraus entstandenen Skulpturen eine lebendige Präsenz erhalten. Ovid erzählt in seinen Metamorphosen von Pygmalion, der als Bildhauer die Statue einer Frau schuf - nachdem er mit echten Frauen irgendwie nicht zurechtkam - und diese dank der Göttin der Liebe sogar lebendig wird. 

Ob das für Wind und Wetter auch so gilt? Diese brauchten zwar entschieden länger dafür, bis sie Sandkörnchen für Sandkörnchen von den Statuen entfernt hatten, so ganz ohne anderes Werkzeug, wie es ein Bildhauer gewöhnlich benutzt. Aber wenn ein Bildhauer nur pusten würde, bräuchte er ebenfalls länger, als sein Leben dauert. Immerhin schufen Wind und Wetter im Lauf der Jahrmillionen im Tal der Steinernen Soldaten einen ganzen Skulpturenpark: 


Wie in den ständig wechselnd vorüberziehenden Formationen der Wolken am Himmel lassen sich mit ein wenig Phantasie in den Steinen Figuren entdecken, eine Madonna ist zu sehen, miteinander schwätzende Weiber und ein ruhendes Kamel. Wie lebensecht das Kamel von Wind und Wetter aus dem Stein geschmirgelt wurde, zeigt der Zaun um den Stein herum, der sämtliche Besucher hindern soll, in den Sattel zu steigen. Die Schuhe der Touristen graben ebenso geschwind wie deren Finger auf der Suche nach Halt so tiefe Rillen in den weichen Stein, dass von dem Kamel in Nullkommanix mehr übrig bliebe. 

Der Name des Tals erinnert an eine so ferne Vergangenheit, die von niemandem mehr überprüft werden kann. Ob sich alles so zutrug, wie es erzählt wird? Einst fragte König Krösus, der für seinen Wohlstand und seine Freigebigkeit so bekannt war, dass sein Name als Synonym immer noch für spendable Menschen gilt, das berühmte Orakel von Delphi. Dessen Weissagung: "Wenn du den Halys überschreitest, wirst du ein großes Reich zerstören", interpretierte Krösus so, als sei ihm der Sieg bereits sicher und zog gegen die Perser. 

Den Halys überquerend, kam Krösus in das von den Persern regierte Kappadokien. Im Tal der Steinernen Soldaten trafen die Lyder und die Perser in einer Schlacht aufeinander, von der es bei Herodot heißt: „Als Phraortes tot war […] und Kyaxares gegen die Lyder stritt, dazumal, als mitten im Streit Nacht ward aus dem Tag […] und dann ganz Asien oberhalb des Halys unterwarf... 

Die Sage erzählt, dass sich die Sonne verfinsterte und somit die Schlacht unterbrach. Denn in der Antike - und Jahrhunderte später immer noch - galt eine Sonnenfinsternis als ein Zeichen, welches Unheil bringt. Dabei hatte Thales von Milet diese Sonnenfinsternis sogar vorausgesagt. Als diese tatsächlich kam, ließen die Kämpfer von ihrem Kampf ab und schlossen Frieden. Jedenfalls vorerst, denn später wurde Krösus tatsächlich von den Persern besiegt. Diejenigen Krieger, welche nicht aufhören wollten und weiterkämpften, versteinerten und sind bis heute zu sehen, im Tal der Steinernen Soldaten.